Der Eintritt des Versicherungsfalls in der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung – (K)ein Grund zur Panik?
b) Geltendmachung durch den Geschädigten
Macht der Geschädigte einen Anspruch geltend, bevor der Versicherungsnehmer selbst erkannt hat, dass ein Versicherungsfall vorliegt, gelten spezielle Regelungen in den AVB: 1. Die außergerichtliche Geltendmachung und 2. Die Geltendmachung per Mahnbescheid oder im Klageverfahren. Da in diesen Fällen bereits konkrete Ansprüche erhoben werden, ist eine sofortige Anzeige (neben der Anzeige aufgrund Kenntnis vom Versicherungsfall) geboten, da der Versicherer aufgrund der Geltendmachung bereits die Leistungsfrage und damit die weitere Abwicklung des Versicherungsfalls prüfen muss.
In den verschiedenen Deckungskonzepten zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung finden sich mitunter entsprechende Erweiterungen / Klarstellungen dergestalt, dass ein Versicherungsfall erst dann angezeigt werden muss, wenn der Versicherungsnehmer schriftlich in Anspruch genommen wird. Fehlt es am Schriftformerfordernis, ist bereits eine mündliche, ausdrückliche oder konkludente Erklärung ausreichend, um die Anzeigepflicht auszulösen. Erforderlich ist aber, dass mit der ernstlich gemeinten Erklärung des Dritten Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Eine Anzeigeobliegenheit besteht damit in der Regel nicht bei bloßen Ankündigungen, Vorwürfen oder Drohungen.
Eine entsprechende Erweiterung ist aber nur dann sinnvoll, wenn die lediglich mündliche oder konkludente Anspruchserhebung nicht gleichwohl als Auslöser der Anzeigeobliegenheit für die Kenntnis des Versicherungsnehmers genügt.
Denn: Hat der (vermeintlich) Geschädigte seine Ansprüche nicht schriftlich geäußert, weiß der Versicherungsnehmer spätestens in diesem Moment, dass ein Pflichtverstoß jedenfalls möglicherweise vorliegen kann.
Für die Anzeigepflichtobliegenheit ist es zwar erforderlich, dass der Versicherungsnehmer sichere Kenntnis hinsichtlich eines Pflichtverstoßes hat (ein Vorwurf ist damit nicht ausreichend!) aus dem ein Schaden entstehen könnte, gleichwohl bestehen durch die Geltendmachung des Anspruchs durch den Geschädigten Verdachtsmomente für einen Pflichtverstoß, wodurch eine spätere „schriftliche“ Inanspruchnahme wahrscheinlich ist.
Der Versicherungsnehmer sollte – um dem Sinn und Zweck der Obliegenheit, dem Versicherer möglichst frühzeitig einen umfassenden Blick auf den Sachverhalt zu ermöglichen, - gleichwohl im Eigeninteresse bei einer bloß mündlichen Geltendmachung bzw. Ankündigung durch den Geschädigten eine (vorsorgliche) Meldung vornehmen.
Den weit überwiegenden Teil der Leistungen der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung stellen die Fälle der Abwehr von unberechtigten Ansprüchen dar. Ein unberechtigter Anspruch liegt aber nicht erst dann vor, wenn der Versicherungsnehmer eine Pflichtverletzung begangen hat, diese aber nicht adäquat kausal für den eingetretenen Schaden war. Der Versicherungsnehmer hat vielmehr ein berechtigtes Interesse an einer frühzeitigen Schadensabwehr bereits dann, wenn der (vermeintlich) Geschädigte mündlich oder konkludent eine Leistung fordert, ohne dass ein Pflichtverstoß vorliegt. Derartige Angriffe respektive Vorwürfe möchte der Versicherungsnehmer doch schnell aus der Welt schaffen und nicht so lange warten (müssen), bis der Anspruchsteller seine Forderungen „schriftlich“ verfasst hat. Im Interesse des Vermittlers sollte die Anzeige damit gleichwohl bei einer mündlichen oder konkludenten Anspruchsstellung erfolgen. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass ihn bei der Schadensabwehr auch eine Abwehr- bzw. Schadenminderungsobliegenheit trifft.
Die Gefahren, die viele Vermittler in einer (vorsorglichen) Schadenmeldung sehen (Nachteile in der Prämienkalkulation; Kündigung durch den Versicherer) sind nach unserer Erfahrung jedoch regelmäßig unbegründet. Diese Mittel werden erst bei einer sehr schlechten Renta – abhängig vom entsprechenden Versicherer – eingesetzt. Die schadenbedingte Kündigung wird dabei ausgesprochen selten veranlasst.