Nachvertragliche Kundenabwerbung zulässig?
(2) OLG Stuttgart, Urt. v. 28.07.2022 – 2 U 191/21
Die BAG-Entscheidung ist zu flankieren durch ein kürzlich veröffentlichtes Urteil des OLG Stuttgart. Der entscheidende Satz lautet hier:
„Maßgebend ist, ob der Geheimnisinhaber im Vorfeld sinnvolle und effiziente Maßnahmen getroffen hat, um die Informationen zu schützen. Die konkreten Geheimhaltungsmaßnahmen hängen von der Art des Geschäftsgeheimnisses im Einzelnen und von den konkreten Umständen der Nutzung ab.“
Dieser Satz verdeutlicht noch einmal, dass aus Sicht der Rspr. ein Unternehmer für wirklichen, d.h. gerichtsfesten Geheimnisschutz mehr tun muss, als nur eine Klausel in seinen Vertriebsverträgen zu ändern bzw. anzupassen. Was verlangt wird, ist ein „stimmiges Schutzkonzept“. Wie üblich in der Compliance sind a) klare unternehmerische Vorgaben, b) Dokumentations- sowie Schulungsvorgänge und c) Überwachungsmaßnahmen erforderlich. Nachvertraglicher Geheimnisschutz ist eine Compliance-Herausforderung für die Unternehmen. D.h. dass die Nichteinhaltung nicht nur die Verfolgung eigener Ansprüche erschwert und unmöglich macht, sondern dass die Vernachlässigung zudem auch angreifbar (Abmahnung + Bußgeld) macht.
Nochmal:
Eine angemessene Geheimhaltungsmaßnahme kann auch in einer (transparenten und angemessenen) Vertrags-Klausel liegen, doch ist dies nur eine notwendige und keine hinreichende Bedingung. D.h. die Klausel allein reicht nicht aus, um ein wirksames Schutz-Konzept zu installieren, damit man sich auf „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ bzgl. nachvertraglichen Wettbewerbs berufen zu können, vgl. LAG Düsseldorf, Urt. v. 03.06.2020 – 12 SaGa 4/20; OLG Hamm, Urt. v. 15.09.2020 – 4 U 177/19.
b) Zwischenergebnis
§ 90 HGB verweist auf § 2 Nr. 1b GeschGehG. Um sich auf ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot berufen zu können sind angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen erforderlich. Wann diese vorliegen, beurteilt sich nach einem objektiven Maßstab anhand der Umstände des Einzelfalles. Es sind stets die Unternehmensgröße, die Branche, der Wert des „Geheimnisses“, die konkrete Gefährdungslage und das Schutzkonzept des Unternehmens zu berücksichtigen. Ein Unternehmen, das kein Konzept hat, verdient keinen Schutz.