BdV fordert intensivierte Verhaltensaufsicht über den Vertrieb von Lebensversicherungen
Die Finanzaufsicht BaFin hat sich vorgenommen, die Exzesse im provisionsgesteuerten Vertrieb von kapitalbildenden Lebensversicherungen zu unterbinden und will diese Absicht in einem Merkblatt „zu wohlverhaltensrechtlichen Aspekten“ dokumentieren. Erst kürzlich hatte der oberste Aufseher für Versicherungen, Dr. Frank Grund, beim Versicherungstag der Süddeutschen Zeitung auf Schloss Bensberg einigen Branchenfürsten klargemacht, dass die Provisionsschindereien ein Ende finden müssen.
Der Verbraucherschutzverein BdV sieht in dem Dokument viele positive Elemente – insbesondere die neuen Regelungen zur Bewertung des tatsächlichen Nutzens von Kapitallebensversicherungen für Verbraucherinnen und Verbraucher. „Wir bekommen den Eindruck, dass die BaFin endlich das tun will, was eine gute und effektive Aufsichtsbehörde ausmacht: den Markt aktiv vor verbraucherschädigendem Verhalten zu schützen“, sagt BdV-Vorstandssprecher Stephen Rehmke.
Der Verein hat sich in die Konsultation der BaFin zu ihrem Entwurf des Merkblatts eingebracht und eine Stellungnahme zu den positiven und den ergänzungsbedürftigen Aspekten verfasst. Der BaFin-Entwurf enthält präzisierte Regelungen zur Verhaltensaufsicht beruhend auf der EU-Vertriebsrichtlinie IDD. Der BdV sieht insbesondere folgende neue vielversprechende Regelungen für die Bewertung des „Kundennutzens" einer Lebensversicherung:
- notwendige Bestimmung des Zielmarktes in „ausreichender Detailtiefe" für den Vertrieb;
- Entwicklung der Stornoquote;
- Überprüfung der Frontlastigkeit der Abschlussprovisionen und ihre Auswirkung auf die Renditeentwicklung insbesondere bei vorzeitiger Vertragsbeendigung;
- Einschluss der Entwicklung der Inflation bei Bewertung des „realen Anlageerfolges";
- Nachweis von erhöhtem Kundennutzen bei unterschiedlichen Vergütungen desselben LV-Produktes einschließlich möglicher verstärkter Interessenkonflikte im Vertrieb;
- Offenlegung von Rückvergütungen an Vertriebe bei Fondspolicen.
In seiner Stellungnahme moniert der BdV aber, dass der Entwurf noch viele Fragen aus Verbrauchersicht offenlässt. So wird beispielsweise die zu berücksichtigende Inflationsrate mit lediglich 2 % jährlich angesetzt, was auch längerfristig als viel zu niedrig erscheint. Auch Koppelpunkte (Zusatzversicherungen wie Berufsunfähigkeit) werden gar nicht erwähnt, obwohl ihr Nutzen grundsätzlich infrage gestellt werden muss. Zudem soll weiterhin die Kennziffer der Effektivkosten für Renditeprognosen verwendet werden, die aber irreführend ist, solange die zugrunde liegenden Renditeannahmen nicht offengelegt werden.
Vor allem gibt der Entwurf aber keine Antworten darauf, wie diese „intensivierte Aufsicht" konkret von der BaFin umgesetzt werden soll und was bei Verstößen gegen die „wohlverhaltensaufsichtlichen" Anforderungen gegenüber den Lebensversicherern und den Vertrieben tatsächlich passieren soll. Sanktionsmöglichkeiten bis hin zu Produktinterventionen, d. h. Vertriebsverboten, sind gesetzlich vorhergesehen. „Ohne konkrete und für alle nachvollziehbare Schwellenwerte kann sich das Merkblatt auch schnell als Papiertiger entpuppen“, sagt Rehmke.