EU-Recht: Erbschaft im Ausland - ARAG Experten erläutern die europaweit einheitlichen Regeln.
In unserer globalen Gesellschaft werden auch die Erbfälle mit Auslandsbezug immer häufiger. Nahezu eine halbe Million Fälle sind es jährlich in der EU. Das kann der Rentner sein, der nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben in sein Ferienhaus auf Mallorca zieht. Aber auch die Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland wird in international agierenden Unternehmen zunehmend häufiger. Und so mancher wandert auch gleich ganz aus.
Sie alle sollten bedenken, dass sie nach der neuen EU-Erbrechtsverordnung im Todesfall möglicherweise nach dem Recht ihres Aufenthaltslandes beerbt werden – selbst wenn sie nach wie vor die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Seit wann diese Regelung gilt und was Sie tun können, damit sich Ihr Erbe dennoch nach deutschem Recht richtet, wissen die ARAG Experten.
Bislang galt: Ein Todesfall – mehrere Erbrechtsordnungen
Früher richtete sich die Frage, welches nationale Erbrecht bei einem Todesfall mit Auslandsbezug anzuwenden ist, noch nach den sogenannten Kollisionsnormen des Internationalen Privatrechts (IPR). Das Problem dabei: Sie sehen in den verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten ganz unterschiedlich aus. So stellten deutsche Nachlassgerichte in Erbfällen zum Beispiel auf die Staatsangehörigkeit ab. Der Deutsche, der im Ausland lebte, wurde für sie also selbst dann noch nach deutschem Recht beerbt, wenn er schon vor zehn Jahren ausgewandert war. In anderen Ländern war stattdessen für das gesamte Erbe der letzte Wohnsitz des Erblassers entscheidend. Wiederum andere – wie z.B. Frankreich – stellten für Immobilien auf das Recht des Ortes ab, wo diese sich befinden, für bewegliches Vermögen richtete sich das Erbrecht dagegen nach der Staatsangehörigkeit. Konkret bedeutete das: Wegen der national verschiedenen Kollisionsnormen fanden mitunter in einem Erbfall mehrere Erbrechtsordnungen Anwendung – und das auch noch mit unterschiedlichen Ergebnissen.
Seit 2015 kommt es auf gewöhnlichen Aufenthalt an
Um solch komplizierte Fälle zu vermeiden, hat die EU im Jahr 2012 eine Erbrechtsverordnung (Nr. 650/2012) verabschiedet. Nach ihr „unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“. Diese Regelung gilt für alle Erbfälle, die nach dem 17. August 2015 eingetreten sind.
Ab wann gilt ein Aufenthalt im Ausland als „gewöhnlich“?
Findet das ausländische Erbrecht schon dann Anwendung, wenn der jobbedingte Auslandsaufenthalt nur auf ein Jahr angelegt ist? Und wie sieht es mit denjenigen aus, die regelmäßig zwischen zwei Ländern pendeln? Die Vorschrift selbst sagt dazu nichts. Anhaltspunkte ergeben sich nur aus der einleitenden Begründung zur Verordnung. Dort heißt es, das zuständige Gericht solle die Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt des Todes beurteilen. Dabei sollten vor allem die Dauer und die Regelmäßigkeit des Auslandsaufenthalts und die Gründe für diesen Berücksichtigung finden. Wer sich aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen in einem anderen Staat aufhalte, aber noch eine enge und feste Bindung zu seinem Herkunftsstaat habe, der könne seinen „gewöhnlichen Aufenthalt“ unter Umständen immer noch dort haben. Wie die Vorschrift im Einzelfall auszulegen ist, wird also die Rechtsprechung zeigen müssen.