Zahlungsmoral überraschend weiter verbessert – aber …

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Zahlungsmoral überraschend weiter verbessert – aber Inkassounternehmen befürchten baldige Trendumkehr / Branche warnt vor Betrugsmasche »Fake-Inkasso« – Millionenschäden für Verbraucher

29.06.2016

Die Zahlungsmoral in Deutschland befindet sich weiterhin auf einem Rekordhoch. 90 Prozent der Mitglieder des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU) melden in einer Umfrage: Rechnungen werden jetzt genauso gut oder sogar noch besser bezahlt als vor einem halben Jahr.

Die Unternehmensinsolvenzen gehen schon das siebte Jahr in Folge zurück. Bis Ende Dezember erwartet der BDIU nur noch 22.000 Fälle (2015: 23.123). Auch die Zahl der Verbraucherinsolvenzen sinkt auf voraussichtlich zwischen 75.000 bis 76.000 Verfahren (nach 80.347 in 2015). »Der Konjunkturmotor läuft prächtig und versorgt die Firmen mit Liquidität, nicht zuletzt dank der guten Binnennachfrage«, so BDIU-Präsidentin Kirsten Pedd am Mittwoch in Berlin. »Es könnte aber auch das verflixte siebte Jahr sein.« Durch den Brexit hätten sich die Aussichten verschlechtert. »Groß­bri­tannien ist einer unserer wichtigsten Handelspartner. Die Brexit-Folgen werden die Unternehmen zwar nicht sofort spüren. Aber wir befürchten, dass im kommenden Jahr die Zahl der Insolvenzen wieder ansteigt – und das wird auch die Zahlungsmoral wieder verschlechtern.«

Zahlungsmoral: Kunden von Onlineshops nachlässig

Aktuell ist vor allem die B2B-Zahlungsmoral hervorragend. Sie hat sich noch einmal verbessert. Im B2C-Geschäft dagegen gibt es manche Probleme. 44 Prozent der BDIU-Mit­glieder berichten, dass On­lineshops Schwierigkeiten haben, ihr Geld von den Kunden zu bekommen. Weitere Gläubiger mit Problemen sind die Energiewirtschaft (laut 40 Prozent der Inkassounternehmen), die Dienstleistungsbranche allgemein (37 Prozent) sowie Vermieter (34 Prozent). Beim Handwerk (34 Prozent, minus 11 Prozentpunkte) und beim Baugewerbe (17 Prozent, minus 16) zahlen Kunden jetzt allerdings erheblich besser als noch im Sommer 2015.

Viele Zahlungsmuffel handeln mit Vorsatz

Hauptgrund, warum Verbraucher nicht bezahlen, ist Überschuldung. 78 Prozent der Inkassounternehmen berichten das. 72 Prozent nennen ein unkontrolliertes Konsumverhalten als ursächlich. Ein Jobverlust als Nichtzahlgrund landet nur noch an vierter Stelle – dafür beobachten jetzt mehr als die Hälfte (57 Pro­zent), dass private Schuldner absichtlich ihre Zahlungen nicht leisten. »Dafür gibt es ein einfaches Wort«, sagt BDIU-Vi­ze­prä­si­dentin Marion Kremer. »Ein solches Verhalten ist Betrug. Diese Schuldner spielen mit der wirtschaftlichen Existenz der Gläubigerfirmen sowie derer Mitarbeiter.«

Problematisch ist nach Erfahrung der Inkassounternehmen auch, dass viele Privatschuldner über zu wenig Finanzwissen verfügen. »Vor allem junge Erwachsene im Alter von 18 bis 24 Jahren nehmen Zahlungsverpflichtungen gerne mal auf die leichte Schulter«, so Kremer. 53 Prozent melden in der Umfrage, dass junge Verbraucher Rechnungen schlechter bezahlen als über 25-Jäh­rige. »Oft sind es Konsumschulden, über die wir dann sprechen müssen.« Junge Schuldner stehen vor allem bei Onlinehändlern in der Kreide (87 Prozent der Umfrageteilnehmer melden das) sowie bei Telekommunikationsunternehmen (85 Prozent). Jeweils 60 Prozent nennen Fitnessstudios und Versandhändler. Bei Erwachsenen und älteren Schuldnern stehen Verbindlichkeiten gegenüber Banken- und Kreditinstituten an erster Stelle.

Öffentliche Hand zahlt noch schlechter

Scharfe Kritik üben die Forderungsmanager an der Rechnungstreue der öffentlichen Hand. Kein einziges Inkassounternehmen meldet, dass der öffentliche Sektor Rechnungen jetzt besser bezahlt als noch vor sechs Monaten. 15 Prozent beobachten sogar eine weitere Verschlechterung. »Ei­gent­lich ist das absurd«, so Marion Kremer. »Die Steuereinnahmen sprudeln, auch für Städte und Gemeinden.«

Allerdings lastet auf vielen Kommunen, zum Beispiel in Ostdeutschland oder in Nordrhein-Westfalen, ein so gewaltiger Schuldenberg, dass sie, wären sie ein privater Betrieb, eine Insolvenz anmelden müssten. Gedankenspiele dazu gibt es bereits. Erst vergangene Woche hatte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angeregt, über die Gangbarkeit von Konkursverfahren für Gebietskörperschaften in Deutschland nachzudenken. Die Inkassounternehmen halten einen solchen Schritt nicht für erforderlich. »Ein Insolvenzverfahren für Kommunen oder gar ganze Bundesländer kennen wir hierzulande nicht«, erklärt Marion Kremer, »und wir warnen davor, an den lokalen Haushalten ein Experiment mit ungewissen Folgen für die Bürgerinnen und Bürger durchzuführen. Die Kämmerer sollten stattdessen alle ihre Einnahmepotenziale nutzen. Wir haben den Eindruck, dass in vielen Kommunen das Forderungsmanagement deutlich verbessert werden könnte. Aktuell hat die Stadt Essen drei Inkassounternehmen im Wege der Verwaltungshilfe beauftragt, sie beim Forderungsmanagement zu unterstützen. Solche Maßnahmen können dazu beitragen, die Krise der kommunalen Haushalte in der Bundesrepublik zu bewältigen.«

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