Turbulentes erstes Quartal - Haben die Notenbanken noch alles im Griff? von Carsten Mumm, Leiter der Vermögensverwaltung bei der Privatbank Donner & Reuschel
Ein gewichtiges Argument für die Erwartung steigender Aktienkurse am Jahresanfang war die nach wie vor extrem expansive Geldpolitik der wichtigsten Notenbanken weltweit. Vor allem die EZB verkündet seit Monaten immer neue liquiditätssteigernde Maßnahmen. Die US-Notenbank Fed hat zwar im Dezember offiziell die lange erwartete Zinswende eingeläutet, allerdings gab es bisher nur eine kleine Leitzinserhöhung.
Aufgrund der wenig dynamischen Konjunktur in den USA und Unsicherheiten bzgl. der weiteren global-ökonomischen Entwicklungen – z.B. in vielen Schwellenländern – sind in diesem Jahr maximal zwei weitere Zinsschritte wahrscheinlich. Selbst danach befänden sich die USA noch immer in einem im historischen Vergleich niedrigen Zinsumfeld.
Im bisherigen Jahresverlauf wurde allerdings deutlich, dass – fast ausschließlich – liquiditätsgetriebene Börsen zu nervösen Reaktionen und heftigen Auf- und Abwärtsbewegungen neigen. In „normalen“ Zeiten ist der Grund für eine Investition am Kapitalmarkt eine auf fundamentalen Daten basierende Analyse der Kapitalanlage. Daraus resultiert die grundsätzliche Überzeugung für die mittel- bis langfristige Perspektive des zu erwerbenden Investments. Anderenfalls wird der Kauf eben nicht getätigt. Wenn aber der Beweggrund zum Kauf von z.B. Aktien oder Anleihen eine allgemeine Alternativlosigkeit in Nullzins-Zeiten ist, neigen Anleger generell dazu, ihre Positionierungen schneller zu verändern. Schließlich besteht die erhöhte Gefahr, dass sich die Kurse von fundamental angemessenen Bewertungsniveaus entfernen – sprich zu teuer werden.
Zumindest bei Anleihen ist dieser Effekt tatsächlich unverkennbar. Da die EZB durch ihr Wertpapierkaufprogramm einen Großteil des überhaupt zur Verfügung stehenden Angebots am Markt aufnimmt, sind die Kurse nahezu aller Segmente im festverzinslichen Bereich auf Rekordniveaus vorangeschritten. Bundesanleihen rentieren mittlerweile bis zu einer Laufzeit von 8 (!) Jahren negativ. Selbst Unternehmensanleihen werden teilweise mit einer Nullrendite emittiert.
Auch wenn die EZB den Märkten die zur Verfügung gestellte Liquidität nicht kurzfristig wieder entziehen wird, bedarf es doch immer neuer Geldspritzen, um die Kurse weiter anzutreiben. Da das Anleihekaufprogramm mittlerweile auf monatlich € 80 Mrd. ausgeweitet und bis März 2017 verlängert wurde, ist die Gefahr deutlicher Korrekturen zumindest bei Anleihen weniger akut. Zwar wurde die Idee des „Helikoptergeldes“ von Seiten der Notenbank zunächst verworfen. Es ist aber davon auszugehen, dass weitere expansive Schritte folgen werden, denn mit einer Preissteigerungsrate im März in Höhe von -0,1% im Vergleich zum Vorjahr wurde das Kernziel der Erhöhung der Inflationserwartungen bisher noch nicht erreicht.
Es ist jedoch zu befürchten, dass die kurssteigernde Wirkung der expansiven Maßnahmen auf die Aktienmärkte sukzessive nachlässt, je mehr sie zur Gewohnheit werden. Schon im November letzten Jahres gelang es Mario Draghi trotz einer weiteren Senkung des Einlagenzinssatzes für Banken und der Ausweitung des Volumens der monatlichen Wertpapierkäufe nicht, die Aktienkurse anzutreiben. Auch die EZB-Sitzung im März 2016 hatte bislang nur moderat positive Auswirkungen.