Die Raumnot zur Tugend gemacht - Aus Platzmangel entstand bei der LVM das erste Homeoffice-Modell
Zu Beginn der 1990er Jahre wird es eng für die Mitarbeitenden am Kolde-Ring. Die LVM ist insbesondere nach der Maueröffnung 1989 stark gewachsen und beschäftigt immer mehr Mitarbeitende. Nun werden die Arbeitsplätze knapp. Neubauten werden geplant und Büroflächen in Münster angemietet, doch die kurzfristigen Engpässe lassen sich so nicht beheben. Innerhalb der LVM kommt eine - wie sich später noch zeigen wird - wegweisende Frage auf: Könnten Mitarbeitende ihre Aufgaben nicht zu Hause erledigen, zumindest tageweise?
Bei einer Befragung stimmen viele dem Vorschlag zu, einige beginnen 1994 mit einem ersten Versuch. Fünf Mitarbeitende teilen sich dabei vier Arbeitsplätze, jeder aus dem Team arbeitet an einem Wochentag zu Hause. Die ersten Erfahrungen sind gut, allerdings zeigt sich, dass die Teams zu groß sind. Besser läuft es, wenn sich zwei Personen einen Schreibtisch teilen. Beim täglichen Wechsel bleibt insbesondere der gute kollegiale Kontakt erhalten.
Ganz neu war die Idee der Heimarbeit nicht. In den Boomjahren nach dem Zweiten Weltkrieg waren noch viele Formulare und Listen mit der Hand auszufüllen. Gern verdienten sich Auszubildende oder Familienangehörige der Angestellten etwas dazu, indem sie solche Aufgaben zu Hause erledigten. In den 1990er Jahren gilt es zu beweisen, dass dieses Modell auch mit anspruchsvollerer Arbeit und moderner Technik funktioniert.
Vorreiter mit AbAp
1995 startet die LVM das Projekt „Außerbetrieblicher Arbeitsplatz“, kurz AbAp. 35 Mitarbeitende testen das neue Modell, sie arbeiten abwechselnd zu Hause und im Büro am Kolde-Ring. Und sie sind begeistert: Zu Hause seien sie ungestörter und konzentrierter, finden sie, lange Anfahrtswege nach Münster entfallen. Alle sind über Telefon und Internet mit der Zentrale in Münster und mit ihren Kundinnen und Kunden verbunden. Es macht keinen Unterschied, wo die Ansprechpersonen sitzen.
Viele Jahre, bevor das „Homeoffice“ in aller Munde ist, erregt die LVM mit dem Projekt einiges Aufsehen. „Das spart Platz, Energie und damit Kosten“, heißt es beispielsweise in einer Fernsehreportage des Westdeutschen Rundfunks. Ende 1996 haben sich bereits 250 Mitarbeitende für das AbAp-Modell entschieden und sparen damit eine Million Kilometer Fahrtstrecke, wie die LVM errechnet. Neben dem ökologischen Aspekt steht für die meisten die Flexibilität des Arbeitsplatzes im Vordergrund. Individuell angepasste Modelle ermöglichen insbesondere die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Passend für alle
Nach den guten Erfahrungen mit dem AbAp entwickelt die LVM zusätzliche Arbeitsplatzmodelle, um ihren Mitarbeitenden möglichst gute und passende Bedingungen zu bieten. Im Juli 2010 startet Homeoffice für Mitarbeitende ohne dauerhafte Führungsaufgaben. Sie können sich Arbeitspakete mit nach Hause nehmen, dort aber Kommunikationsmittel der LVM nutzen. Auch Mitarbeiter mit Führungsfunktion arbeiten zeitweilig außerhalb ihrer Büros. Das Projekt FührungFlex bewährt sich seit 2012 und wird mittlerweile von einigen Führungskräften genutzt.
Die Formen von Heimarbeit unterscheiden sich zwar, sind aber alle darauf ausgelegt, Kontakte und den Zusammenhalt unter den Kolleginnen und Kollegen sowie mit den Führungskräften zu pflegen. Auch wenn die Zahl der Beschäftigten in den vergangenen Jahrzehnten enorm gewachsen ist und nicht mehr alle unter einem Dach beschäftigt sind, soll das Gefühl, gemeinsam in einem Unternehmen zu arbeiten, nicht verloren gehen.