Die Mehrheit der deutschen Unternehmen ist schlecht auf Cyber-Attacken vorbereitet
Internationale Studie von Hiscox und Forrester zeigt: Deutsche Unternehmen haben Nachholbedarf in Sachen Cyber-Sicherheit / Im Ländervergleich liegen deutsche Unternehmen bei Cyber-Risk-Management deutlich hinter den USA und Großbritannien / Fokus auf Investitionen in IT-Infrastruktur, umfassende Cyber-Risk-Strategie wird vernachlässigt / Aufklärungsbedarf bei Cyber-Versicherungen
Der „Cyber Readiness Report 2017“ des Spezialversicherers Hiscox zeigt, wie gut oder schlecht deutsche, britische und US-amerikanische Unternehmen auf Cyber-Attacken vorbereitet sind. Das Marktforschungsinstitut Forrester Consulting hat dazu im Auftrag von Hiscox die „Cyber-Readiness“ von je rund 1.000 Unternehmen in den drei Ländern anhand der Kriterien Strategie, Ressourcen, Technologie sowie Prozesse ermittelt. Schlechte Noten erhalten vor allem die deutschen Unternehmen: Mit 62 Prozent weist Deutschland im Ländervergleich (USA: 40%; GB: 57%) den höchsten Anteil an Unternehmen auf, die als sogenannte „Cyber-Anfänger“ gelten, also unzureichend auf Cyber-Attacken vorbereitet sind. Der Anteil der „Cyber-Experten“ liegt in Deutschland bei lediglich 20 Prozent, wohingegen 44 Prozent der befragten US-Unternehmen gut gegen Cyber-Attacken gerüstet sind (GB: 26%). 18 Prozent der deutschen Befragten zählen zu den „Cyber-Fortgeschrittenen“, die zumindest teilweise mit den Folgen einer Cyber-Attacke klarkommen können (USA: 16%; GB 17%).
Nur eine umfassende Strategie hilft, Cyber-Attacken zu bewältigen
„Die Anzahl der schlecht gegen Cyber-Attacken gerüsteten Unternehmen in Deutschland ist erschreckend hoch. Bei gut vorbereiteten Unternehmen ist IT-Security ein Top-Management-Thema und es existiert eine klare Strategie. Der Fokus muss dabei auf zeitgemäßen Prozessen und Richtlinien, laufenden Investitionen in die technische IT-Security, Sensibilisierung und Schulung der Mitarbeiter und auf spezifischem Cyber-Versicherungsschutz liegen. Wer eines dieser Handlungsfelder vernachlässigt, läuft Gefahr, durch Cyber-Attacken nachhaltig geschädigt zu werden. Kein Unternehmen kann sich absolut vor Cyber-Attacken schützen, aber es kann die Schäden klein halten“, erläutert Robert Dietrich, Hauptbevollmächtigter bei Hiscox Deutschland.
Gezielte Cyber-Attacken auf wichtige Branchen der deutschen Wirtschaft
Dass Attacken zum Alltag gehören, zeigt auch die Studie: 56 Prozent der befragten deutschen Unternehmen haben im vergangenen Jahr mindestens einen Angriff auf ihre Netzwerke und Daten festgestellt (USA: 63%; GB: 51%). Besonders stark betroffen waren hierzulande die Fertigungsindustrie und die Medien-, Kommunikations- und Technologiebranche, in denen jeweils 65 Prozent der befragten Unternehmen mindestens eine Cyber-Attacke feststellten – gefolgt von der Finanzdienstleistungs-branche (64%).
Cyber-Strategie muss Chefsache sein
Die Diskrepanz zwischen „Cyber-Anfängern“ und „Cyber-Experten“ manifestiert sich beispielsweise in der Rolle des Top-Managements. Während in den deutschen Unternehmen mit „Experten-Status“ insgesamt 88 Prozent der Befragten der Aussage „Cyber-Sicherheit muss Chefsache sein“ zustimmen (USA: 93%; GB: 91%), sind es bei den Anfängern nur 58 Prozent (USA: 70%; GB: 62%).
Risikofaktor Mitarbeiter: Potential von Cyber-Schulungen bislang verkannt
Zwar nehmen externe Cyber-Attacken den ersten Platz auf der Liste der folgenschwersten Cyber-Angriffe bei deutschen Unternehmen ein (DE: 38%; USA: 25%; GB: 34%). Auf Platz zwei und drei folgen aber schon die Cyber-Zwischenfälle durch Mitarbeiter: Bei jedem fünften deutschen Unternehmen (20%) konnten die Verantwortlichen innerhalb der Organisation ausgemacht werden (USA: 22%; GB: 16%), 14 Prozent der Befragten berichteten von verlorengegangenen bzw. gestohlenen mobilen Geräten, wie Firmenhandys oder -tablets (USA: 17%; GB: 18%).
Trotz dieser alarmierenden Ergebnisse vernachlässigen die deutschen Befragten das Thema Sensibilisierung und Schulung von Mitarbeitern bislang. So verpflichtet gegenwärtig nur jedes vierte Unternehmen in Deutschland (24%) seine Mitarbeiter zur Teilnahme an speziellen Cyber-Trainings (USA: 34%; GB: 25%). Jedoch wollen sich die deutschen Unternehmen für die Zukunft wappnen: 57 Prozent der deutschen Befragten planen, in den kommenden zwölf Monaten die Investitionen für Mitarbeiterschulungen um mehr als fünf Prozent zu erhöhen (USA: 64%; GB: 57%). Einen größeren Stellenwert nehmen hierzulande aber weiterhin Investitionen in neue IT-Sicherheitstechnologien ein: 68 Prozent der Befragten haben vor, das Budget dafür im kommenden Jahr um mehr als fünf Prozent zu steigern (USA: 71%; GB: 67%).
„Investitionen in die IT sind sinnvoll und notwendig, doch sie gaukeln eine trügerische Sicherheit vor, die den in der Realität immer komplexer werdenden Risiken aus dem Netz nicht gerecht werden. Der Faktor Mensch wird bei Investitionsentscheidungen immer noch hintenangestellt, obwohl ein Großteil der Cyber-Attacken durch Mitarbeiter verursacht wird. Dabei bieten gezielte Mitarbeitertrainings das größte Präventionspotential zur Vermeidung von Cyber-Zwischenfällen oder zumindest zur Minimierung ihres Ausmaßes. Sie lassen sich mit relativ überschaubarem Budget umsetzen und ermöglichen insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen, ihre ‚Cyber-Readiness‘ zu verbessern“, verdeutlicht Robert Dietrich.