Aktuelle Themen aus der Privaten Krankenversicherung – ein Interview mit Klaus Henkel, Vorsitzender des Vorstands der SDK
Von Volker P. Andelfinger, AIP
In den letzten Tagen wird gemeldet, dass viele privat Krankenversicherte "fluchtartig" die PKV verlassen würden und die gesetzlichen Kassen erwecken den Eindruck, sie könnten sich dem Ansturm kaum erwehren.
In den letzten Tagen wird gemeldet, dass viele privat Krankenversicherte "fluchtartig" die PKV verlassen würden und die gesetzlichen Kassen erwecken den Eindruck, sie könnten sich dem Ansturm kaum erwehren. Stimmt das mit Ihren Wahrnehmungen bei der SDK überein?
2010 wechselten 153.200 Menschen von der PKV in die GKV, 2011 sind es voraussichtlich 159.400. Das entspricht den langjährig normalen Größenordnungen. Wobei die allermeisten Wechsel gezwungenermaßen erfolgten. Durch die Zusatzbeiträge haben manche Kassen 2011 ein größeres Stück vom Kuchen abbekommen als bisher. Das vermittelte Bild von einem nie dagewesenen Ansturm von PKV-Kunden auf die GKV ist die vollkommen falsche Interpretation. Richtig ist: Es kommen mehr Personen aus der GKV zur PKV als umgekehrt. Das ist schon seit Jahren so. 2011 hat sich der Trend sogar verstärkt. Und aktuelle Studien zeigen, dass die private Krankenvollversicherung nach wie vor sehr beliebt ist. Berichte über die angebliche Abwanderung sind nachweislich falsch.
Wie sehen Sie die Berichterstattung zu diesem Thema? Ist das alles sachlich, oder doch eher ein Thema, das nicht ganz so heiß gegessen wird, wie gekocht?
Der PKV-Verband hat mit seinen Zahlen belegt, dass von einem Abwanderungstrend zur GKV keine Rede sein kann. Das haben die Medien auch aufgegriffen, weshalb ich nicht unterstellen möchte, die Diskussion sei unsachlich. Trotzdem war das für viele eine willkommene Gelegenheit, wieder einmal das Ende der PKV zu beschwören. Das schadet uns enorm. Es sind die Negativbotschaften, die verfangen. Egal, ob sie falsch oder richtig sind. Die zentrale Herausforderung der PKV, nämlich die Bezahlbarkeit von Krankheitskosten, ist ja für die GKV genauso zentral. Wir müssen beide Lösungen dafür finden.
Welche aktuellen "Wanderungszahlen" legt denn der Verband der Krankenversicherer vor? Und wie sieht es für Ihr Unternehmen aus?
Der Saldo der Wechsler zwischen GKV und PKV ist in den letzten Jahren immer deutlich zugunsten der PKV ausgefallen. 2010 kamen 227.700 Personen zur PKV, 153.200 sind zur GKV gegangen. Der Saldo liegt also bei rund 75.000 Personen zu Gunsten der PKV. Die Zahlen für 2011 liegen dem PKV-Verband noch nicht vor, aber er geht davon aus, dass der Vorsprung der PKV in der Wanderungsbilanz gegenüber dem Vorjahr sogar noch gewachsen ist. Die Zahlen der SDK stützen diese Aussage.
Wenn wir die "Wanderungszahlen" näher analysieren: Wie setzen sich die Zugewinne an privat Krankenversicherten zusammen, Angestellte und Selbstständige? Und aus welchen Gründen verlassen privat Krankenversicherte die PKV?
Der größte Teil des Neuzugangs der SDK sind Wechsler aus der GKV. Dazu kommen noch Geburten und ein paar Wechsler aus anderen PKV-Unternehmen. Fälle, in denen ein PKV-Kunde mehr als in der GKV bezahlt und daher unbedingt wieder zurück in die GKV möchte, sind eher selten und lassen sich in der Regel durch richtige Beratung, etwa zu Tarifwechseln innerhalb des Unternehmens, meistens klären.
Nicht jeder verlässt die PKV demnach freiwillig. Welche Gründe sind typisch für die unfreiwillige Abkehr von der PKV? Welche Gründe sind die häufigsten?
Häufig sind es Selbstständige, die wieder eine Arbeitnehmertätigkeit aufgenommen haben und unter der gesetzlichen Versicherungspflichtgrenze verdienen. Wenn Privatversicherte als junge Erwachsene erstmals eine Berufstätigkeit aufnehmen und damit sozialversicherungspflichtig werden, müssen sie ebenso in die GKV wechseln. Auch das kommt oft vor. Wechseln müssen außerdem Arbeitnehmer, die mit ihrem Gehalt unter die Versicherungspflichtgrenze rutschen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Arbeitszeit auf Teilzeit reduziert wird.
Mancher Selbstständige hat am Anfang des Jahres noch nicht alle Geschäftszahlen parat und kann vielleicht noch gar nicht absehen, wie er sich in Bezug auf sein Verbleiben in der PKV verhalten sollte oder müsste. Was können Sie diesen Betroffenen und ihren Vermittlern raten?
Selbstständige können sich unabhängig von ihrem Einkommen privat krankenversichern. Insofern spielt es keine Rolle, wie sich das Geschäftsjahr entwickelt hat. Wenn ein Selbstständiger Einkommensausfälle hat und deshalb seinen Versicherungsbeitrag reduzieren möchte, kann er in einen günstigeren Tarif wechseln. Der Vermittler sollte dann auch zu dem Wiedereinstieg in einen höheren Versicherungsschutz beraten.
Was können Vermittler tun und ihren Kunden empfehlen, die in der PKV bleiben wollen aber aufgrund verschiedener Gründe gezwungen zu sein scheinen, in die GKV zu wechseln?
Wenn ein Kunde versicherungspflichtig wird ist er gezwungen, in die GKV zu wechseln. Dann ist eine Anwartschaftsversicherung für die bestehenden Tarife zu empfehlen. Damit sichert er sich die Möglichkeit, bei erneutem Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze sich ohne erneute Gesundheitsprüfung privat zu versichern. Die Anwartschaft ersetzt also die Kündigung. Das Versicherungsverhältnis besteht weiter, Rechte und Pflichten ruhen aber. Die Anwartschaft sollte am besten gleich in dem Schreiben, in dem der Kunde sein Versicherungsunternehmen über den Wechsel zur GKV informiert, beantragt werden. Wenn gewünscht, können Zusatzversicherungen abgeschlossen werden, um das Versorgungsniveau zu halten. Überschreiten die Zusatzversicherungen den Standard der Vollversicherung nicht, ist der Verzicht auf die Gesundheitsprüfung möglich.
Was sind die wichtigsten Argumente pro PKV und in der aktuellen Diskussion, die Sie Vermittlern mit auf den Weg geben?
Für die PKV spricht eindeutig die Möglichkeit, den Versicherungsschutz individuell zu gestalten. Es gibt Tarifvielfalt statt Einheitsschutz. Und die Leistungen sind garantiert. Kürzungen wie in der GKV sind nicht möglich. Bei veränderten Lebenssituationen lassen sich die Tarife flexibel anpassen. Mit den Alterungsrückstellungen ist die PKV außerdem generationengerecht, weil sie die Beitragslast nicht auf nachkommende Generationen verlagert. Für die SDK spricht eine hohe Beitragsrückerstattung, ein generationenübergreifendes Tarifwerk unter dem Verzicht auf Paralleltarife und eine solide Unternehmenspolitik, auf die Verlass ist. Insbesondere die Politik eines einzigen, generationenübergreifenden Tarifwerks erlebt bei Maklern und Kunden gerade eine regelrechte Renaissance. Die SDK-Kunden sind sehr zufrieden, das zeigt auch die Kundenbefragung von Assekurata oder die BaFin-Beschwerdestatistik
Ab 1. April 2012 gilt ein Provisionsdeckel von 9 MB. Welchen Reaktionen von Vermittlern begegnen Sie aktuell in dieser Diskussion um Courtageauswüchse in der Vergangenheit? Gibt es Zustimmung seitens der Vermittler?
Momentan hat sich die Diskussion um Vermittlerprovisionen beruhigt. Das Gesetz ist klar formuliert. Für unser Haus kann ich sagen, dass wir uns schon bisher innerhalb des nun gesetzlich vorgegebenen Rahmens bewegt haben. Dennoch stellt Gesetz die Versicherer vor die Herausforderung, es bis zum 1. April 2012 durch die Anpassung der Prozesse auch umzusetzen. Manche Vermittler begrüßen die Regelung, anderen wäre es lieber gewesen, man hätte auf eine gesetzliche Regelung verzichtet. Der Großteil der Vermittler wartet nach unserer Einschätzung derzeit ab, welche Neuregelungen durch die Versicherer auf sie zukommen.
Volker P. Andelfinger