Verwirrung statt Hilfe – Ratingflut lässt echte Highlights untergehen
„Versicherungsvermittler müssen seit der Umsetzung der EU-Vermittlerrichtlinie viel leisten. Der Kunde muss informiert, anlassabhängig befragt und beraten, jeder Rat begründet und das Ganze auch noch dokumentiert werden,“ schreibt Prof. Dr. Matthias Beenken ...
Das jedenfalls ist mittlerweile die Sichtweise vieler Vermittler. Fast täglich erscheinen in den Fachmedien Rankings von Produkten und Produktanbietern, die von unterschiedlichen Institutionen, Vergleichsanbietern, den Fachmedien selbst und Verbraucherschützern veröffentlicht werden. Es erscheinen Listen mit den besten Lebensversicherern, den besten Portalanbietern, den besten Versicherern, den besten Serviceversicherern, den besten Rechtsschutz-Versicherern et cetera et cetera. In Portalen und in den Offline-Varianten unterschiedlicher Vergleichs-Software werden Produkte bewertet und mit entsprechenden Siegeln gekennzeichnet. Für den Vermittler entsteht der Eindruck, dass es kaum noch Anbieter und Produkte gibt, die nicht mit Bestnoten daherkommen.
Der Filter macht den Spitzenreiter
Diesen Eindruck müssen Vermittler ebenfalls gewinnen. Denn wer Erstplatzierter ist, hängt häufig davon ab, wer das Rating und Ranking erstellt hat. Der Durchführende der Untersuchung legt die Kriterien fest und diese Kriterien sind in der Regel – zumindest nicht auf den ersten Blick – nicht nachvollziehbar und erkennbar.
Für den Vermittler kann es also bedeuten, dass er für ein und dasselbe Produkt unterschiedliche Bewertungsergebnisse erhält. Und er kommt in ein weiteres Dilemma: welche „Ratingagentur“ ist diejenige, auf die er vertrauen soll? Fast scheint es so, dass der Markt bald ein Rating und Ranking für die Produktbewerter braucht. Denn hier tummeln sich nicht nur renommierte Marken, die sich über Jahre hinweg ihr Vertrauen aufgebaut haben.
Produktanbieter auch nur Statistiker?
Es ist verständlich, dass ein Versicherer eine gute Bewertung, einen „1. Platz“ oder fünf Sterne sofort im Marketing umsetzt. Sobald Marketing jedoch so weit geht, positive Bewertungen von einzelnen Kriterien oder einzelnen Produkten in ganz speziellen Situationen und Konstellationen für eine ganze Produktlinie zu generalisieren – oder zumindest den Eindruck erweckt, dass ein bestimmter Tarif immer und in jeder Situation für jeden Kunden genau das richtige ist –, dann mag das für Vermittler der Ausschließlichkeit hilfreich sein, für Mehrfachvermittler und Makler macht es den Markt noch weniger transparent, als er ohnehin schon ist.
Was der Vermittler braucht
Bei der Auswahl des für seinen Kunden passenden Produkts muss gerade der Mehrfachvermittler und Makler eine ganze Reihe von Kriterien prüfen. Neben dem Preis-Leistungsverhältnis gehören selbstverständlich die Fragen nach den Inhalten von Bedingungen und Wordings, sowie der Liquidität, Finanzkraft und dem Leistungsvermögen eines Versicherers mit in die Betrachtung. Außerdem die Geschäftsprozess-Kompetenz, Service und Leistungsverhalten des Anbieters. Für ein Rating, das dem Vermittler tatsächlich nutzt, gehören alle diese Kriterien auch in einen Vergleich. Nützlich für den Vermittler ist dieser Vergleich dennoch nur dann, wenn für ihn die Kriterien nachvollziehbar sind. Eine Blackbox, die vorgibt, die wichtigsten oder gar alle wichtigen Kriterien zu berücksichtigen, ohne diese konkret offen zu legen, bedeutet eine Entmündigung des Vermittlers. Honni soit qui mal y pense, ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Vielleicht noch treffender ist die altfranzösische Übersetzung: „Beschämt sei, wer schlecht darüber denkt.“
Max Schreiber