ROLAND Rechtsreport – Institut für Demoskopie - Allensbach: Deutsche wünschen sich mehr Zivilcourage
Während die Medien 2011 wieder umfangreich von Übergriffen durch zum Teil jugendliche Gewalttäter, insbesondere auf U- oder S-Bahnhöfen, berichteten, wünscht sich eine große Mehrheit der Bürger mehr Zivilcourage, um der Gefahr zu begegnen.
• Großteil der Befragten wünscht sich mehr öffentliches Sicherheitspersonal
• 69 Prozent sprechen sich für Stärkung des Bewusstseins für Zivilcourage aus
• 56 Prozent betrachten Eingreifen im Ernstfall als Bürgerpflicht
• Mediation erfreut sich weiterhin positiver Bewertung
10. November 2011 - Während die Medien 2011 wieder umfangreich von Übergriffen durch zum Teil jugendliche Gewalttäter, insbesondere auf U- oder S-Bahnhöfen, berichteten, wünscht sich eine große Mehrheit der Bürger mehr Zivilcourage, um der Gefahr zu begegnen. Die meisten Sorgen der Bürger drehen sich aber um die Gesundheit, den Erhalt des Lebensstandards und das Wohl der eigenen Familie. Die alternative Streitbeilegung durch Mediation erfreut sich zudem wachsender Zustimmung. Das generelle Vertrauen der Bevölkerung in das deutsche Rechtssystem bleibt bestehen, lange Verfahrensdauern werden jedoch als Problem erkannt. Das sind die zentralen Ergebnisse des neuen ROLAND Rechtsreports, einer Studie der ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demoskopie Allensbach.
„Während die Nachrichten oftmals ein Bild der Verrohung unserer Gesellschaft zeichnen, belegt der ROLAND Rechtsreport, dass Zivilcourage und Mediation, also die Streitbeilegung ohne Richter, im Trend liegen. Beides spricht aus meiner Sicht für einen neuen Gemeinsinn in unserer Gesellschaft, auf den wir aufbauen können und den wir fördern sollten“, so Gerhard Horrion, Vorstandsvorsitzender der ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG.
Stabiles Vertrauen in das Rechtssystem
Die Bevölkerung bringt dem deutschen Rechtssystem weiterhin ein hohes Maß an Vertrauen entgegen: 60 Prozent haben sehr viel oder ziemlich viel Vertrauen in die Gerichte, genauso viele Deutsche haben Vertrauen in die Gesetze. Im Vergleich zum Vorjahr ist das Vertrauen in die Gerichte allerdings um fünf Prozentpunkte gesunken. Das Vertrauen in die Regierung ist um vier Prozentpunkte gestiegen, bleibt aber auf niedrigem Niveau: 28 Prozent geben an, sehr viel oder ziemlich viel Vertrauen in die Regierung zu haben.
Ausgeprägte Kritikpunkte in Bezug auf das deutsche Rechts- und Justizsystem lassen sich vier Bereichen zuordnen: zu lange Verfahrensdauern durch die Arbeitsüberlastung der Gerichte, eine als uneinheitlich wahrgenommene Rechtsprechung, zu komplizierte Gesetze sowie zu milde Strafen. Beim Strafmaß missfällt vielen Bürgern vor allem der ihrer Meinung nach zu milde Umgang mit jugendlichen Straftätern.
Mehr Sicherheitspersonal, Zivilcourage und härtere Strafen sind gewünscht
Gut jeder Fünfte meint, dass es am eigenen Wohnort oder in der eigenen Wohngegend Anlass für Angst vor Übergriffen von Jugendlichen gibt. Je größer der Wohnort und je älter die Befragten, desto negativer die Einschätzung der Sicherheitslage. Als geeignete Maßnahmen zur Abwehr gewaltsamer Übergriffe werden dabei besonders häufig die personelle und technische Verstärkung von Sicherheitsmaßnahmen im öffentlichen Raum genannt: mehr Wachpersonal auf Bahnhöfen und in öffentlichen Verkehrsmitteln, höhere Sichtbarkeit der Polizei auf den Straßen. Aber auch härtere Strafen, Notfallknöpfe und Jugendarbeit werden von einer Mehrheit befürwortet. 55 Prozent sprechen sich ebenso für die verstärkte Überwachung von öffentlichen Plätzen und Verkehrsmitteln durch Videokameras aus.
69 Prozent der Bürger meinen, dass die Stärkung des Bewusstseins in der Öffentlichkeit, bei Übergriffen nicht wegzusehen und Zivilcourage zu zeigen, gewaltsame Übergriffe verhindern kann. Die deutliche Mehrheit der Bevölkerung (56 Prozent) meint, es sei Bürgerpflicht einzugreifen, wenn man Zeuge eines Übergriffs wird – zum Beispiel, indem man sich mit anderen zusammentut, um Schlimmeres zu verhindern. 26 Prozent können verstehen, wenn jemand nicht eingreift. Nach dem eigenen Verhalten gefragt, sagen 38 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, dass sie „eher eingreifen“ würden. 15 Prozent sagen explizit, dass sie nicht eingreifen würden, um sich selbst nicht in Gefahr zu bringen. 42 Prozent würden es von der konkreten Situation abhängig machen. Männer (45 Prozent) und 16- bis 29-Jährige (51 Prozent) äußern dabei deutlich häufiger ihre Bereitschaft zum Eingreifen als Frauen (32 Prozent) und über 60-Jährige (26 Prozent). Darin spiegeln sich nicht zuletzt auch die körperlichen Voraussetzungen wider, die ein solches Eingreifen mitunter erfordert, um sich im Notfall selbst schützen zu können.
Mediation: Steigende Bekanntheit, stabil positive Bewertung
Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung empfindet den Gedanken, in einen Gerichtsprozess verwickelt zu sein, als unangenehm: 40 Prozent empfinden den Gedanken als sehr unangenehm, weitere 27 Prozent als ziemlich unangenehm. Der von der Bundesregierung verabschiedete und vom Bundestag derzeit noch beratene Entwurf für ein Mediationsgesetz folgt dem Auftrag der Europäischen Union, die sogenannte Mediationsrichtlinie in nationales Recht umzusetzen. Inzwischen haben bereits 65 Prozent der Bevölkerung von der Möglichkeit der Mediation gehört, womit sich die Bekanntheit des Mediationsverfahrens in nur einem Jahr um acht Prozentpunkte erhöht hat.
Das Mediationsverfahren wird ähnlich positiv wie 2010 bewertet: 46 Prozent der Bevölkerung glauben, dass sich durch die Mediation viele Streitigkeiten beilegen lassen (2010: 48 Prozent); 41 Prozent sind hingegen skeptisch (2010: 39 Prozent). Von den Personen, die bereits von der Möglichkeit der Mediation gehört haben, glauben 57 Prozent an einen positiven Effekt der vergleichsweise neuen Methode (2010: 58 Prozent). Nur ein gutes Drittel (2011: 34 Prozent; 2010: 35 Prozent) zweifelt daran, dass Mediation effektiv ist.
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