Nachvertragliche Kundenabwerbung zulässig?

Gastbeitrag von Rechtsanwalt Oliver Timmermann, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte - Bestimmend ist in allen ihren Verträgen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot allumfassend geregelt. Bestimmt sind Sie auch der Meinung, dass Sie damit alles Erforderliche getan haben, um den Geheimnisschutz gerecht zu werden. Bestimmt gehen Sie davon aus, dass Ihre vertraulichen Daten und Betriebsgeheimnisse geschützt sind. Doch dieses Vertrauen in die vertraglichen Abreden über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot kann möglicherweise durch eine aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung infrage gestellt werden! Das BAG beschäftigte sich mit der Rechtsfrage, wann eine Klausel zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unwirksam sein könnte.
Diese aktuelle Rechtsprechung des BAG und des OLG Stuttgart zeigt, dass viele Handelsvertreter- bzw. Vertriebsverträge eine Renovierung der nachvertraglichen Wettbewerbs-Klauseln dringend nötig haben. Nach Auffassung der Kanzlei Michaelis kann „Nichtstun und Abwarten“ bei diesem wichtigen Thema keine Option sein, da wirksame Klauseln in diesem Bereich die unbedingt notwendige Voraussetzung darstellen, dass unlauterer Kundenabwerbung durch ehemalige Vertriebler und Dritte energisch begegnet werden kann. Denn der wirtschaftliche Schaden durch die spätere Abwerbung von ihren Kundenbeziehungen und deren Versicherungsverträgen kann erhebliche Auswirkungen haben!
Nachfolgend werden deshalb zwei wichtige aktuelle Entscheidungen dargestellt, die den Status-Quo des nachvertraglichen Geheimnisschutzes weiter ausformulieren.
1.) Nachvertragliches Wettbewerbsverbot
Im Regelfall will der Unternehmer eine Entschädigungsleistung sparen (vgl. § 90a HGB) und verlässt sich auf den „einfachen“ nachvertraglichen Schutz des § 90 HGB. Der Handelsvertreter darf gem. § 90 HGB Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm anvertraut oder ihm durch seine Tätigkeit für den Unternehmer bekanntgeworden sind, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen.
Nach § 90 2. HS HGB gilt die Geheimhaltungspflicht aber nur insoweit, wie dies „nach den gesamten Umständen der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmannes widersprechen würde.“ Diese Ausnahme erfordert hier eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls, die das Geheimhaltungsinteresse des Unternehmers dem Interesse des Handelsvertreters an anderweitiger Betätigung nach dem Vertragsende gegenüberstellt.
Die Verwertung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen durch einen scheidenden Handelsvertreter widerspricht nach dieser Abwägung dann nicht der Berufsauffassung ordentlicher Kaufleute, wenn einerseits die Belange des Unternehmers nicht beeinträchtigt werden und andererseits der Handelsvertreter durch die Einhaltung der Geheimhaltungspflicht eine Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Lage erfahren würde.
Es ist diese Interessenabwägung, die in der Praxis insb. im Zusammenhang mit Kundenlisten immer wieder zu Schwierigkeiten führt. Den meisten Vertrieblern ist in diesem Zusammenhang noch die sog. „Gedächtnis“-Rspr. des BGH bekannt. Der ausgeschiedene Handelsvertreter darf durchaus solche Kundenadressen verwenden, die ihm im Gedächtnis geblieben sind, vgl. BGH, NJW 1993, 1876; NJW 2009, 1422. Wie viele Kunden i.E. dieser „Gedächtnisleistung“ entsprechen, wird der BGH niemals sagen, da die Gerichte mit der nur ungefähren Umschreibung eine eigene Einschätzungsprärogative behalten sollen.