Mit 56 in die PKV? BGH bestätigt Urteil zur Beweislastumkehr bei mangelhafter Dokumentation eines Versicherungsvertreters, branchenweite Geltung – auch für InsureTechs
Mit Beschluss vom 11.5.2016 wies der Bundesgerichtshof eine Beschwerde der vermittelnden Sparkasse und eines Versicherers gegen die Nichtzulassung der Revision zurück. Damit bestätigte der BGH abschließend das von Wirth-Rechtsanwälte erstrittene Urteil vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm.
Die 2015 versandte Pressemeldung zu dem OLG-Urteil ist hier zu finden: https://wirth-rae.de/files/wirth/download/PM-von-GKV-zu-PKV-und-Beweislastumkehr.pdf
In der Vorinstanz wurde im Grundsatz entschieden: Empfiehlt ein Versicherungsvertreter einem gesetzlich Krankenversicherten den Wechsel in eine private Krankenversicherung besteht eine intensive Beratungs- und Dokumentationspflicht. Fehler hierbei führen zur Umkehr der Beweislast und zu Schadenersatz.
Was war geschehen?
Der damals 56jährige Kläger wandte sich 2008 an seine örtliche Sparkasse, weil er über die Verbesserung seiner Altersvorsorge beraten werden wollte. Dabei zeigte er auch Interesse für eine Zusatzversicherung zur seiner gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Er war vorher Zeit seines Lebens gesetzlich krankenversichert. Nach mehrjähriger Arbeitslosigkeit hatte er nun eine freiberufliche Tätigkeit als gesetzlicher Betreuer aufgenommen und nur eine recht geringe staatliche Rente zu erwarten. Gleichwohl empfahl ihm die Mitarbeiterin der Sparkasse den Abschluss einer privaten Krankenversicherung (PKV). Dabei klärte sie nicht über die wesentlichen Nachteile dieses Wechsels für den Kunden auf. Diese waren unter anderem:
- PKV-Beiträge sind im Gegensatz zu GKV-Beiträgen einkommensunabhängig
- wegen fehlender Altersrückstellungen bestand die ernsthafte Gefahr deutlicher Beitragssteigerung im Alter
Das stellte auch der Kläger einige Jahre später fest und verlangt daher Schadenersatz. Eine Rückkehr in die GKV war ihm nicht mehr möglich. PKV und Sparkasse weigerten sich jedoch Schadenersatz zu leisten, so dass der Kläger vor Gericht zog - und gewann.
Das Berufungsgericht urteilte, dass es bei mangelhafter, gesetzlich vorgeschriebener Dokumentation bei der Versicherungsvermittlung zu einer Umkehr der Beweislast kommt. Zwar trägt die Beweislast für die Verletzung der Beratungspflichten grundsätzlich derjenige, der sich auf eine solche Beratungspflichtverletzung beruft, hier also der Versicherungskunde / Kläger. Bei nicht ordnungsgemäßer Dokumentation kann sich die Beweislast aber umkehren, so dass dem Versicherer bzw. seinem Vertreter (hier die mitbeklagte Sparkasse) die Beweislast für eine ordnungsgemäße Beratung zukommt. Der Beratungsdokumentation soll der wesentliche Gesprächs- und Beratungsinhalt entnommen werden können. Im vorliegenden Fall war dies auf eklatante Weise nicht der Fall (Zitat Urteil OLG Hamm: „nicht einmal im Ansatz“).
Das OLG hatte die Revision zum BGH nicht zugelassen. Die hiergegen beim BGH eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch den BGH selbst nun zurückgewiesen. Weder hätte die Angelegenheit grundsätzliche Bedeutung noch diene eine Entscheidung der Fortbildung des Rechts.
Damit ist die Möglichkeit der Umkehr der Beweislast bei der Versicherungsvermittlung höchstrichterlich nochmals bestätigt worden.
Rechtsanwalt Norman Wirth meint: „Alle Vermittler – ob Makler, Vertreter oder auch und insbesondere InsureTechs - tun gut daran, dieser Gefahr durch korrekte und gesetzeskonforme Beratung und Dokumentation entgegen zu treten. Ausnahmen gibt es weder für vermittelnde Sparkassen noch für FinTechs.“
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