Auch für Hausherren mit kleinem Geldbeutel – Bauen auf fremden Boden
ARAG Rechtsexperte Tobias Klingelhöfer über die Vor- und Nachteile der Erbpacht. Häuslebauer, die mit spitzem Bleistift rechnen müssen und hohe Grundstückskosten zusätzlich zum Hausbau nicht zahlen können, haben die Möglichkeit, ihr Eigenheim auf fremden Boden zu errichten. Klarer Vorteil:
Diese Kosten sind enorm niedrig, denn statt ein Grundstück zu kaufen, müssen jährlich so genannte Erbbauzinsen an den Besitzer des Bodens gezahlt werden, in der Regel vier bis fünf Prozent des Grundstückswertes. Klarer Nachteil: Die vier Wände sind zwar Eigentum, die Parzelle, auf der sie stehen, nicht! Zudem bleibt der Pacht-Zinssatz nicht dauerhaft niedrig. ARAG Rechtsexperte Tobias Klingelhöfer weist im Folgenden auf Chancen, aber auch auf Risiken für Bauherren ohne Boden hin.
Für wen macht Erbpacht einen Sinn und wie bekommt man entsprechende Grundstücke?
RA Tobias Klingelhöfer: Sinnvoll ist die Erbpacht eventuell für Menschen, die sich den Traum der eigenen vier Wände erfüllen wollen, deren Budget aber nicht mehr für das Grundstück reicht. Allerdings möchte ich hier einschränkend erwähnen: Wenn die Berechnung für ein Haus selbst mit Erbbau knapp ist, rate ich generell vom Hausbau ab. Denn die Erbbauzinsen sind ein steigender Posten. Zudem muss man angesichts der aktuell niedrigen Zinsen für Baugeld sagen, dass sich Erbpacht zurzeit kaum lohnt. Die lohnt sich nur, wenn Bauzinsen hoch und Grundstücke teuer sind. Wer dennoch an einem Erbbaurechtsvertrag interessiert ist, kann sich an seine Gemeinde, die Stadt oder an das zuständige Liegenschaftsamt wenden. Besitzer solcher Grundstücke sind meist soziale Einrichtungen wie Stiftungen und Kirchen, aber auch Kommunen und sogar Industrieunternehmen.
Wie lange gelten Erbbaurechtsverträge und worauf muss man achten?
RA Tobias Klingelhöfer: Die Laufzeiten können unterschiedlich sein, sie liegen in der Regel zwischen 60 bis 99 Jahren. Das heißt, Häuslebauer begeben sich für diesen Zeitraum in ein Dauerschuldverhältnis, in dem die Zahlungen so lange anfallen, wie der Vertrag läuft. Das Risiko: Ändert sich der Verkehrswert des Grundstücks, steigt der Zins, der alle drei Jahre angehoben werden darf. Die Zins-Anpassung orientiert sich am Verbraucherpreis-Index des Statistischen Bundesamtes. Das hat zur Folge, dass Erbbaurechtsnehmer, die in Rente oder verwitwet sind, den Pachtzins oft nicht mehr zahlen können. Zwar besagt Paragraf 9a der Erbbaurechtsordnung, dass sich eine Anpassung an den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen orientieren muss, aber im Zweifel ist das Auslegungssache. Wohnt jemand also mehrere Jahrzehnte in einem Haus und der Zinssatz für das Grundstück wurde in diesen Jahren nie erhöht, kann es schlagartig eine erhebliche Erhöhung geben.
Was geschieht, wenn ein Vertrag ausläuft oder vorzeitig beendet werden soll?
RA Tobias Klingelhöfer: Natürlich kann der Vertrag jederzeit in beiderseitigem Einvernehmen beendet werden. Ist der Vertrag allerdings beendet, erlischt das Erbbaurecht ohne weitere Erklärungen. Nach Vertragsende ist eine Verlängerung nicht mehr möglich und ein Neuvertrag muss her. Wer also eine Verlängerung des bestehenden Vertrages möchte, sollte sich frühzeitig mit dem Grundstückseigentümer besprechen. Nach Vertragsende haben in aller Regel beide Seiten ein Vorkaufsrecht, bei dem sich der Preis nach Angebot und Nachfrage richtet. Eine vorzeitige Beendigung des Pachtvertrages ist je nach Vertragsgestaltung möglich, z.B. wenn das Gebäude auf dem gepachteten Boden verwahrlost ist oder der Nutzer längere Zeit mit der Zahlung des Erbbauzinses in Verzug ist. In diesem so genannten Heimfall hat der Vermieter einen Anspruch auf Rückübertragung des Grundstückes. Als Ausgleich erhält der Nutzer eine Entschädigung, die in der Regel mindestens zwei Drittel des allgemeinen Gebäudewertes beträgt. Damit es kein böses Erwachen gibt, empfehlen wir allerdings, die Höhe der Entschädigung bzw. die Bemessungsfaktoren bereits im Vertrag festzuschreiben.
Gibt es sonstige Fallstricke bei einem Erbbaurechtsvertrag?
RA Tobias Klingelhöfer: Die gibt es in der Tat. Mit Vorsicht zu genießen ist die so genannte Ankaufspflicht: Dabei muss der Bauherr das Grundstück erwerben, wenn der Eigentümer dies verlangt. Zudem kann der Verpächter seine Pflicht zur Zahlung einer Entschädigung umgehen, indem er dem Bauherren vor Ablauf des Pachtvertrages anbietet, das Erbbaurecht zu verlängern. Lehnt dieser ab, verliert er seinen Anspruch auf eine Entschädigung.
Welches Fazit kann man ziehen?
RA Tobias Klingelhöfer: Der Teufel steckt auch hier im Detail, daher raten wir, Verträge notariell prüfen zu lassen. Grundsätzlich kann man sagen: Wer es sich leisten kann, sollte auch das Grundstück kaufen. Denn Erbpächter müssen sich im Klaren sein, dass ihnen nicht nur der Grund und Boden nicht gehört, sondern sie meistens nicht einmal über ihre Immobilie frei verfügen können. Grundstücks-Eigentümer haben verschiedene Mitspracherechte. So benötigt der Häuslebauer für die Veräußerung seiner Immobilie die Zustimmung des Grund-Besitzers. Auch Erweiterungen, Umbauten oder Grundbuch-Änderungen sind von der Zustimmung des Erbbaupachtgebers abhängig.
Brigitta Mehring
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