Das Arbeitszeugnis – Botschaften zwischen den Zeilen, ARAG Experten zu fehlerhaften Arbeitszeugnissen und wie man dagegen vorgeht
Als Arbeitnehmer haben Sie das Recht auf ein Leistung und Verhalten abbildendes, wohlwollendes Zeugnis. Doch nicht alles, was sich positiv anhört, ist auch so gemeint. Im Laufe der Zeit hat sich in Personalabteilungen ein komplexes System mit „Geheimcodes“ und Verschlüsselungen entwickelt.
Damit lassen sich selbst schlechte Beurteilungen hinter netten Formulierungen verstecken. Was freundlich klingt, kann also in Wirklichkeit eine ganz andere Bedeutung haben. ARAG Experten dekodieren für Sie die gängigsten Formulierungen der „Geheimsprache“ und Verschlüsselungstechniken im Arbeitszeugnis.
Warum Geheimcodes?
Weil eine offen negative Wortwahl oder gar geringschätzige Formulierung verboten ist, kann Kritik nur indirekt angebracht werden – und ist entsprechend schwer zu erkennen. „Geheimcodes“ und raffinierte Verschlüsselungstechniken bleiben dem Beurteilten so oft aus Unwissenheit verborgen – und stehen möglicherweise dem Traum-Job oder der gewünschten Karriere im Weg. Nur wer Codes auch als solche erkennt, kann sich dagegen wehren. „Frau Meier war tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen“. Das hört sich prima für Sie an? Ein Trugschluss! In Wahrheit legte die besagte Mitarbeiterin in den Augen ihrer Vorgesetzten wenig Kooperationsbereitschaft und viel unangenehmes Verhalten an den Tag. Auch der scheinbar beifällige Wortlaut „Für die Belange der Belegschaft bewies Herr Müller immer Einfühlungsvermögen“ hat nicht die Bedeutung, die er vermuten lässt. Denn statt auf Empathie und Sozialkompetenz weist diese Formulierung verdeckt auf einen Schürzenjäger hin: Der ausscheidende Mitarbeiter hat im Kollegenkreis sexuelle Avancen gemacht!
„Geheimcodes“ – im Arbeitszeugnis unzulässig
Die Verwendung von „Geheimcodes“ im Arbeitszeugnis ist gesetzlich untersagt. Schließlich könnten diese die Chance auf einen neuen Arbeitsplatz mindern. So heißt es in § 109 Absatz 2 GewO (Gewerbeordnung): „Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.“ Weniger klar als dieses Gesetz ist für den beurteilten Mitarbeiter oftmals, ob sich die Personalabteilung auch daran gehalten hat. Was ein beruhigendes Gefühl gibt: Gegen schlechte Bewertungen per „Geheimcode“ lässt sich juristisch vorgehen. Falls nötig, sogar vor dem Arbeitsgericht. Ob Sie noch für das Unternehmen, das Ihr Arbeitszeugnis ausgestellt hat, tätig oder bereits ausgeschieden sind: Auf jeden Fall ist es Ihr gutes Recht, eine Nachbesserung zu fordern.
Achtung „Geheimcodes“ im Arbeitszeugnis!
ARAG Experten nennen gängige Formulierungen aus Leistungs- und Verhaltensbewertungen und sagen, was diese in Wahrheit bedeuten:
- „Er hat alle Arbeiten ordnungsgemäß erledigt.“
(= er ist ein Bürokrat, der keine Eigeninitiative zeigt) - „Mit seinen Vorgesetzten ist er gut zurechtgekommen.“
(= er ist ein Mitläufer ohne eigene Meinung) - „Wegen seiner Pünktlichkeit war er stets ein gutes Vorbild.“
(= seine Leistung ist nicht weiter erwähnenswert) - „Alle Arbeiten erledigte er mit großem Fleiß und Interesse.“
(= er hatte keinen Erfolg) - „Er war immer mit Interesse bei der Sache.“
(= er hat sich bemüht, aber nichts geleistet) - „Wir lernten ihn als umgänglichen Kollegen kennen.“
(= er war unbeliebt) - „Er war ein zuverlässiger/gewissenhafter Mitarbeiter.“
(= er wollte sich einbringen, leistete aber nicht viel) - „Durch seine Geselligkeit trug er zur Verbesserung des Betriebsklimas bei.“
(= er trinkt zu viel/hat ein Alkoholproblem) - „Er war tüchtig und in der Lage, seine Meinung zu vertreten.“
(= er war sehr von sich eingenommen und nicht kritikfähig ) - „Er war ein anspruchsvoller und kritischer Mitarbeiter.“
(= er war ein egozentrischer Nörgler) - „Ihm wurde die Gelegenheit zu Fortbildungsmaßnahmen geboten.“
(= er hatte keine Interesse daran, sich weiterzubilden) - „Er hat alle Aufgaben in seinem und im Firmeninteresse gelöst.“
(= er hat Firmeneigentum entwendet) - „Er zeigte stets Engagement für Arbeitnehmerinteressen außerhalb der Firma.“
(= er hat sich an Streiks beteiligt) - „Für die Belange der Belegschaft bewies er immer Einfühlungsvermögen.“
(= er suchte sexuelle Kontakte im Arbeitsumfeld) - „Für die Belange der Belegschaft bewies er immer umfassendes Einfühlungsvermögen.“
(= er suchte homosexuelle Kontakte im Arbeitsumfeld)
Praxistipp:
Diese versteckten Mitteilungen sind nur die besonders häufig aufgefallenen Aussagen. Es ist jedoch ungewiss, welche im Einzelfall das Gericht als „Geheimcode“ untersagen würde. Da ihnen aber bekanntlich „Verstecktes“ anhaftet, wird der Arbeitgeber sicher auf Verlangen ein nachgebessertes Zeugnis erstellen.
Brigitta Mehring
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