Wachskerzen im Weihnachtsbaum / Landgericht Oldenburg, Urteil vom 08.07.2011 (Az.: 13 O 3296/10)
In einigen Familien ist es üblich, den Weihnachtsbaum mit echten Kerzen zu schmücken. Auch der Kläger hatte im vorliegenden Fall eine Nordmanntanne mit Wachskerzen bestückt. Diese wurden angezündet. Unter ungeklärten Umständen fing der Weihnachtsbaum Feuer. Das Wohnhaus und der dazugehörige Hausrat verbrannten trotz umgehend ...
In einigen Familien ist es üblich, den Weihnachtsbaum mit echten Kerzen zu schmücken. Auch der Kläger hatte im vorliegenden Fall eine Nordmanntanne mit Wachskerzen bestückt. Diese wurden angezündet. Unter ungeklärten Umständen fing der Weihnachtsbaum Feuer. Das Wohnhaus und der dazugehörige Hausrat verbrannten trotz umgehend eingeleiteter Löschmaßnahmen nahezu vollständig. Das Verbringen des brennenden Weihnachtsbaums auf die angrenzende Terrasse scheiterte an der starken Hitzeentwicklung. Die Frischluft der geöffneten Tür fachte den Brand sogar noch an. Die Versicherungen regulierten den Schaden unter Berufung auf grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles, welche nach deren Ansicht mindernd mit 40 % zu berücksichtigen sei. Damit war der Kläger nicht einverstanden und klagte den fehlenden Teil der Versicherungsleistung ein. Das Gericht erkannte keine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls und sprach die volle Leistung zu. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden sein. Danach müssen einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt worden sein und es darf das nicht beachtet worden sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, so das Gericht unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BGH. Für die Behauptung grober Fahrlässigkeit ist der Versicherer darlegungs- und beweisbelastet.Das Gericht sah keine Tatsachen dafür, dass der Kläger und seine Ehefrau beim Befestigen und Anzünden der Kerzen besonders unbesonnen, leichtsinnig oder unbekümmert gewesen seien. Allein die Verwendung echter Kerzen und der mittlerweile trockene Weihnachtsbaum ergeben keine solchen Anhaltspunkte. Ein Gast der Familie befand sich im Raum. Auch, dass der Kläger unmittelbar für Frischluft sorgte, die den Brand noch extra entfacht hatte, sah das Gericht nicht als ungewöhnlich an. In der Aufregung hätte er lediglich die falsche Entscheidung getroffen, die jedoch auf einer reflexartigen Schutzmaßnahme beruht habe. Somit war der Schaden vollständig zu regulieren.
Anmerkung: Dies ist eine der ersten Entscheidungen nach der VVG Reform zur groben Fahrlässigkeit und durch Kerzen entstehenden Bränden. Insoweit dürfte dieser Entscheidung eine besondere Bedeutung zukommen. Der Entscheidung ist zu entnehmen, dass zur Annahme einer groben Fahrlässigkeit eine besondere Sorglosigkeit nachzuweisen ist, die nicht ohne Weiteres anzunehmen war.
Kontakt:
Kathrin Pagel
Rechtsanwältin und Fachanwältin
für Versicherungsrecht
Telefon: 040 / 35 47 47
Telefax: 040 / 35 37 59
E-Mail: kathrin.pagel@kanzlei-heinsen.de
HEINSEN Rechtsanwälte
Jungfernstieg 41
20354 Hamburg
Webseite: www.kanzlei-heinsen.de