Der Verkaufsprospekt und seine Vollständigkeit
Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe musste sich im Urteil vom 5. März 2013 mit der Frage beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen ein Emissionsprospekt als vollständig anzusehen ist.
Dabei ist nach Ansicht des BGH nicht isoliert auf bestimmte Umstände oder Aussagen im Prospekt, sondern auf dessen Gesamtbild abzustellen, das dem Anleger gegenüber, durch diesen Prospekt nach sorgfältiger und aufmerksamer Lektüre vermittelt wird.Der Kläger zeichnete im Jahre 1993 auf Grundlage des Emissionsprospekts Anteile an einem geschlossenen Immobilienfonds, der in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) organisiert war. In dem Prospekt heißt es zur Haftung unter anderem, dass die Gesellschafter der GbR gegenüber Gläubigern haften, "zunächst" aber das dem Immobilienfonds gehörende Grundstück verwertet werden solle. Zur Projektfinanzierung nahm die GbR Darlehen auf, die durch Grundschulden gesichert wurden. In den Darlehensverträgen mit den ausgebenden Banken wurde die persönliche Haftung der Gesellschafter in einer ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen entsprechenden Höhe vereinbart. Aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten wurde im Jahr 2009 die Fondsimmobilie verkauft und die Gesellschaft liquidiert. Der Kläger zahlte einen auf ihn entfallenen Verlustanteil von 68.000 Euro, sowie im Jahr 2010 noch einmal 15.000 Euro. Der Kläger verlangt von einem der Gründungsgesellschafter nach den Grundsätzen der Prospekthaftung Schadensersatz. Gestützt wird dieser Anspruch auf einen nach Klägervortrag fehlerhaften Emissionsprospekt, da die Haftung der Anleger unzutreffend dargestellt worden sei. So werde in dem Prospekt der Eindruck erweckt, die Anleger haften nur sekundär. Des Weiteren werde nicht ausreichend darüber aufgeklärt, dass die Haftung der Anleger für Darlehen fixiert ist und sich nicht durch Teilzahlung der Gesellschaft verringert.
Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch aus Prospekthaftung im weiteren Sinne angenommen. Unter einer Prospekthaftung im weiteren Sinne versteht man die Haftung von Berufsgruppen, die ein besonderes Vertrauen ihrer Kunden in Anspruch nehmen und insbesondere für deren Vermögen Sorge tragen. Die Karlsruher Bundesrichter erteilen dieser instanzgerichtlichen Ansicht jedoch eine Absage und heben das Urteil wieder auf. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass der Prospekt zumindest im Hinblick auf die Haftungsreihenfolge unklar und missverständlich sei. Dabei werde der Eindruck erweckt, eine persönliche Haftung des Anlegers trete erst dann ein, wenn die Gesellschaft in Liquiditätsprobleme gerate und das Grundstück bereits verwertet wurde. Diesen Ausführungen folgt der BGH nicht. Er argumentiert, dass dem Prospekt mit der Formulierung nicht entnommen werden könne, dass eine Haftung der Gesellschafter mit ihrem persönlichen Vermögen erst nach der Verwertung des Fondsgrundstücks entstehe. Dabei ist laut Bundesgerichtshof nicht die Aussage für sich allein als Formulierung zu betrachten, sondern die Systematik der Prospektdarstellung insgesamt. Der sprachliche Zusammenhang ergebe dabei nicht, dass ein Anleger erst nach Grundstücksverwertung in eine persönliche Haftung falle. Der Verwendung des Begriffs "zunächst" könne für sich betrachtet noch nicht entnommen werden, dass eine zeitlich vorrangige Haftung gemeint sei. Auch eine bestimmte Reihenfolge könne sich nicht ableiten lassen. Begründet wird diese Ansicht des BGH mit der Gegenüberstellung des Gesellschaftsvermögens und dem der persönlichen Vermögen der Anleger in den Beschreibungen des Prospekts. Wäre eine Haftungsbeschränkung der Anleger von vornherein vorgesehen gewesen, hätte diese in den Verträgen mit den Banken Erwähnung finden müssen. Dies war allerdings nicht der Fall. Auch ließe sich auch kein Hinweis darauf finden, dass die Bank verpflichtet sei, das Grundstück vorrangig zu verwerten. Bei eingehender Durchsicht des Prospekts hätte nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ein Anleger nicht davon ausgehen dürfen, eine persönliche Inanspruchnahme für die Schulden sei erst im Falle des Scheiterns der Gesellschaft und deren Liquidation zu befürchten. Auch die Ansicht des Berufungsgerichts, dass sich aus der Aussage einer quotalen Haftung der Anleger eine Reduzierung der Teile bei Verwertung von Gesellschaftsteilen ergibt, teilt der BGH nicht. Bereits in früheren Urteilen stellte er klar, dass Zahlungen aus Gesellschaftsvermögen dem Anleger auch ohne direkte Reduzierung des Eigenanteils zugutekommen. So verringert sich im Außenverhältnis die persönliche Haftung des Gesellschafters, wenn die noch offene Darlehensschuld unter den persönlichen Haftungsbetrag absinkt. Daher scheidet ein Schadensersatzanspruch, gestützt auf Prospektfehler, aus.
Wieder einmal lässt sich zusammenfassen, dass die Anfertigung eines Emissionsprospekts wohldurchdacht sein sollte, da auch nur einzelne Formulierung im Zweifel auf die Goldwaage gelegt werden können und über die Frage einer Haftung entscheiden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. März 2013 - II ZR 252/11
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