Geschlossene Immobilienfonds: Blind Pool ist nicht gleich Blind Pool
Ergebnisse einer von tapir AG in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Untersuchung des Rechtsanwalts und Unternehmensberaters Dr. Stefan Michaelsen
Ergebnisse einer von tapir AG in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Untersuchung des Rechtsanwalts und Unternehmensberaters Dr. Stefan MichaelsenIn ihrer Dezember-Ausgabe 2012 untersuchte die Anlegerschutz-Zeitschrift „Finanztest“ 58 geschlossene Immobilienfonds, die in Deutschland investieren. Immerhin 36 Fonds davon, die eines von sechs sogenannten K.o.-Kriterien nicht erfüllen, wurden pauschal als zu riskant angesehen und keiner weiteren Prüfung unterzogen. Das häufigste Ausschlusskriterium war dabei die konzeptionelle Gestaltung als sogenannter Blind Pool - hiervon waren immerhin 28 Fonds betroffen. Dazu Finanztest: „Stehen mehr als 10 Prozent der direkten oder indirekten Immobilieninvestitionen des Fonds bei Zeichnung durch den Anleger noch nicht fest, spricht man von einem Blind Pool. Es handelt sich um eine Vertrauensinvestition in das Fondsmanagement. Nur wenn die Fondsmanager die richtigen Immobilien kaufen, kann sich die Investition vielleicht lohnen. Das Risiko ist für den Anleger nur schwer kalkulierbar.“
Da Finanztest hieraus schließt, dass derartige Fonds alleine schon aus der konzeptionellen Gestaltung heraus als zu risikoreich eingestuft werden müssen, wurde der anerkannte Fondsexperte Rechtsanwalt Dr. Stefan Michaelsen von der Münchner tapir AG beauftragt, im Rahmen einer wissenschaftlichen Analyse zu untersuchen, welche konzeptionellen Unterschiede bestehen und wie das Blind Pool-Risiko für den Anleger gesenkt und ihm seine Anlageentscheidung erleichtert werden kann. Hierzu wurden diese 28 Fonds nach entsprechenden Vergleichskriterien untersucht.
Die untersuchten Fonds unterteilen sich in neun Projektentwicklungsfonds und neun Immobilienhandelsfonds und Fonds für opportunistischen Portfolioaufbau sowie zehn weitere Fonds. Bei allen drei sogenannten „Real Estate Opportunity“-Strategien steht das Portfolio vor der Platzierung konzeptionsbedingt nicht fest und kann sich auch - mit Ausnahme der Fonds mit opportunistischem Portfolioaufbau - über die Zeit hinweg ständig ändern, wie dies auch bei Wertpapierfonds und bei Offenen Immobilienfonds der Fall ist. Schließlich bestimmt auch erst das eingeworbene Eigenkapital über das Volumen eines Mehrobjekt-Fonds und damit den Umfang der möglichen Immobilien-Investitionen.
Die Unterschiede zwischen den einzelnen geschlossenen Immobilien-Fonds sind eklatant. Ergebnisse sind unter anderen:
- Lediglich 14 von 28 Fonds stellen ihren „track record“ in Leistungsbilanzen dar, und nur acht davon auch mit einem Wirtschaftsprüfer-Testat. Ein Grund hierfür mag die teilweise recht kurze Platzierungshistorie sein. Auffällig ist aber auch, dass die Anbieter ohne „track record“ auch sonst keine größeren Erfahrungen im Immobilienbereich im Emissionsprospekt belegen.
- Nur ein Teil der Anbieter stellt Interessenten journalistisch orientierte Analyse-Publikationen und Berichte spezialisierter Rating-Agenturen wie G.U.B. und Scope zur Verfügung, um ihnen ihre Anlageentscheidung zu erleichtern. Dies reicht von einem völligen Fehlen von Analysen bei einem Fonds bis zu fünf Ratings bei zwei Fonds.
Gemäß § 266 Absatz 2 Satz 2 Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) auf dem aktuellen Entwurfsstand muss eine AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft zukünftig in den Anlagebedingungen festlegen, welche Vermögensgegenstände in welchem Umfang für einen geschlossenen Publikums-AIF erworben werden. Diese Angaben werden bereits heute von vielen Anbietern von geschlossenen Blind Pool-Fonds freiwillig gemacht. 19 der 28 Fonds machen die Angaben im Gesellschaftsvertrag unter einem eigenen Paragraphen oder in einem Anhang, meistens werden sie als „Investitionskriterien“ bezeichnet.
- Nur zwölf Fonds regeln die Vorgaben für eine Mindeststreuung der Anlagen (Diversifikation) verbindlich im Prospekt, obwohl das „nicht alle Eier in einen Korb legen“ natürlich eine der wirkungsvollsten Risikomanagement-Maßnahmen überhaupt darstellt.
- Nur ein einziger (Projektentwicklungs-) Fonds schließt jeglichen Fremdkapitaleinsatz auf Fonds- und Projektebene aus, was unüblich ist, aber das Risiko ebenfalls erheblich vermindert. Zehn Fonds setzen beim Kauf von Immobilien mehr als 60 Prozent Fremdkapital ein. Dies ist die derzeit geplante Obergrenze im AIFM-Umsetzungsgesetz, die aber zukünftig möglicherweise auch nur noch 30% betragen könnte, wie ursprünglich im Referentenentwurf des BMF vorgesehen.
- Nur einer der untersuchten Fonds trifft freiwillig vertragliche Vorkehrungen gegen mögliche Missbräuche im Einkaufsprozess oder bei Verkäufen zwischen eigenen Fonds. Drei weitere Fonds schließen zumindest Zwischengewinne aus. Auch zukünftig gilt die entsprechende gesetzliche Regelung in § 68a Investmentgesetz nur für offene Immobilienfonds, insofern ist diese freiwillige Selbstverpflichtung zu begrüßen.
- Ein besonderes Augenmerk sollten Anleger auf die unterschiedliche Behandlung von „Übergewinnen“ legen, da sich hier aus Sicht des Analysten große Unterschiede abzeichnen. Diese Regelungen geben Auskunft darüber, wie fair über das erwartete Renditeniveau hinaus erzielte Gewinne zwischen Anbieter und Anleger geteilt werden. Unüblich hohe Gewinnbeteiligungen für den ja selbst i.d.R. nicht investierten Anbieter (Carried Interest) fallen dabei bei vier Fonds auf: 50 % ab 7,50% bzw. 8,00% Rendite; 50% ab 9,5% und bei dem gleichen Fonds 80% ab 10,5%; 2/3 ab 8,5%. Bei Produkten für institutionelle Anleger sind hingegen eher Werte von 10% oder 20% die Regel. Ein Anbieter ist sogar schon ab einer Nullrendite mit 15% am Gewinn beteiligt, ohne dass auf diesem Renditeniveau schon eine eigene Investment-Leistung (Performance) erbracht werden könnte.
- Fünf Fonds vereinnahmen 100% der Gewinne ab 8,00%, 10,45%, 12,00%,
13,00% und 13,25%. „Solche Regelungen nehmen dem Anleger jegliche Chance
auf eine höhere Rendite“, so Rechtsanwalt Dr. Stefan Michaelsen.
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Dr. Stefan Michaelsen ist nach wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen und einer Promotion an der Hochschule St. Gallen (lic. oec. VWL, Dr. oec.) und der University of Chicago (M.B.A. Finance) und beruflichen Stationen bei McKinsey & Company und SJ Berwin LLP als selbständiger Rechtsanwalt und Unternehmensberater in München tätig.
Die tapir AG bewertet geschlossene Fonds und andere Finanzprodukte und -instrumente zum Zweck der hausinternen Risikoklassifizierung und Qualitätsdifferenzierung. Die Arbeiten finden unabhängig von den Initiatoren statt und werden nicht von Dritten in Auftrag gegeben. Darüber hinaus betreibt die tapir AG Vergleichsplattformen im Internet. Die Kenntnisse aus der Researchtätigkeit stellt die tapir AG auf Ihren Vergleichsplattformen für interessierte Investoren und Berater zur Verfügung. Über die Vergleichsplattformen ermöglicht die tapir AG auch eine Abwicklung zu Sonderkonditionen.
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