Der Eintritt des Versicherungsfalls in der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung – (K)ein Grund zur Panik?
Tritt der Versicherungsfall ein, reagiert der Versicherungsvermittler mitunter verunsichert und weiß die (rechtlichen) Konsequenzen seines Handelns oftmals nicht sofort einzuschätzen. Wichtig ist zunächst einmal, tief durchzuatmen und einen klaren Kopf zu bewahren, denn schnell können (fahrlässig) die in den allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und teilweise in den besonderen Bedingungen normierten Obliegenheiten durch den Versicherungsnehmer verletzt werden. Hält sich der Versicherungsnehmer nicht an diese Verhaltensvorschriften, muss er mit rechtlichen Nachteilen bezügliches seines Versicherungsschutzes rechnen, im schlimmsten Fall ist der Versicherer leistungsfrei.
Um welche Pflichten es sich handelt und wie der Ablauf einer Schadensmeldung und –bearbeitung aussehen sollte, möchten wir nachfolgend beschreiben.
1. Wann ist ein Versicherungsfall eingetreten?
Der Versicherungsnehmer muss dem Versicherer den Schadensfall innerhalb einer in den AVB gesetzten Frist anzeigen, macht er dies nicht, begeht er schon eine Obliegenheitsverletzung. Wann aber liegt für den Versicherungsnehmer ein (anzeigepflichtiger) Versicherungsfall vor? Die Versicherungsbedingungen sehen unterschiedliche Auslöser der Meldeobliegenheit vor:
a) Kenntnis des Versicherungsnehmers
In den AVB der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung ist der Versicherungsfall üblicherweise „ab Kenntniserlangung“ anzuzeigen. Erwähnen die Versicherungsbedingungen das Wort „Kenntnis“ nicht und beschreiben nur, dass der Versicherungsfall dem Versicherer binnen einer bestimmten Frist angezeigt werden muss, ist gleichwohl Kenntnis erforderlich. Wann aber hat der Versicherungsnehmer „Kenntnis“ vom Versicherungsfall? Um diese Frage beantworten zu können, ist es erforderlich, die Versicherungsfalldefinition zu kennen. Der Versicherungsfall wird in den AVB definiert als „Verstoß, der Haftpflichtansprüche eines Dritten gegenüber dem Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte“, womit auf das Kausalereignisprinzip abgestellt wird. Ausreichend ist nach der Regelung in den AVB, dass es „irgendwann“ mal zu einem Schaden kommen „könnte“. Eine Anzeigeobliegenheit wird man aber nicht bereits dann annehmen können, wenn der Versicherungsnehmer weiß, dass er einen Verstoß begangen hat, dieser aber nur durch unwahrscheinliche Umstände einen Schaden verursachen würde. Die AVB regeln aber weder den Begriff „Verstoß“ selbst, noch wogegen verstoßen werden muss. Der Versicherungsfall ist die vom Versicherungsnehmer bzw. einer (mit-) versicherten Person begangene Pflichtverletzung, die unmittelbar kausal den Schadenseintritt bewirkt. Der Versicherungsnehmer muss demnach einen Versicherungsfall bereits dann anzeigen, wenn er erkannt hat (positives Wissen), dass er einen Fehler begangen hat – unabhängig davon, ob der (vermeintlich) Geschädigte Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer erhebt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Geschädigte den Schaden bzw. Pflichtverstoß bereits erkannt hat. Die Anzeigepflicht besteht also nicht bereits dann, wenn der Versicherungsnehmer hätte erkennen können, dass ein Verstoß vorliegt. In diesem Fall fehlt ihm nämlich dieses Wissen, wodurch er nicht in der Lage ist zu erkennen, dass er etwas anzeigen muss. Aus diesem Grunde gelten die obigen Ausführungen auch dann, wenn die Versicherungsbedingungen lediglich vorgeben, dass „jeder Versicherungsfall dem Versicherer […] anzuzeigen ist.“ Will sich der Versicherer folglich auf Leistungsfreiheit infolge verspäteter Meldung berufen, muss er das positive Wissen des Versicherungsnehmers nachweisen, welches der Versicherungsnehmer nicht genutzt hat, um den Versicherungsfall fristgerecht anzuzeigen.