09. 07. 2013 - „Wir würden uns der wunderbaren Möglichkeit von Wohn-Riester verschließen“
(ac) Im gestrigen Newsletter beantworte Prof. Dr. Thomas Dommermuth Fragen zum Wahlprogramm der CDU/CSU in Sachen Rente. Heute erklärt er, was von einer privaten Zuschussrente der Deutsche Rentenversicherung Bund zu halten ist und was nach der Wahl aus der Riester-Rente wird. Nachgefragt bei Prof. Dr. Thomas Dommermuth, FH Amberg-Weiden (Teil 2)AC: Können Sie sich vorstellen, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund tatsächlich eine private Zuschussrente anbietet? TD: Zumindest hat der Präsident der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV), Herbert Rische, kürzlich geäußert, dass er sich das vorstellen könne. Allerdings hat er die konkrete Ausgestaltung dieser Vorstellung offen gelassen. Da er in diesem Zusammenhang auch von staatlichen Zuschüssen sprach, die im Falle einer freiwilligen Einzahlung in die DRV wünschenswert seien, könnte ihm ein Modell vorschweben, bei dem die Riester-Förderung auch auf Altersvorsorgebeiträge entfiele, die der DRV zufließen. Sollten diese Beiträge in einer umlagefinanzierten Versorgung – nach gleichem Muster wie die gegenwärtige gesetzliche Rente – landen, würde ich diesen Vorschlag als absurd bezeichnen. Es waren nämlich gerade der wirtschaftliche und politische Wille und die demografische Notwendigkeit, die umlagefinanzierte durch eine staatlich geförderte kapitalgedeckte Vorsorge zu flankieren, welche 2002 zur Einführung der Riester-Rente und zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung führten. Diese sinnvolle Flankierung würde durch eine „umlagefinanzierte Riester-Versorgung“ konterkariert. Absurd wäre dies auch aus dem Blickwinkel der Renditen: Die sehr sensiblen Reaktionen der umlagefinanzierten Rente auf die großen demografischen Probleme, Zunahme des Altersquotienten und der Lebenserwartung, sind ja gerade der Grund für den seit 2002 erfolgten massiven Ausbau der kapitalgedeckten staatlich geförderten Vorsorge. Nun soll ausgerechnet die Wurzel des Problems, die umlagefinanzierte Rente, zur Problemlösung erwachsen.Darüber hinaus ist der DRV-Vorschlag des „Altersvorsorgekontos“ in der aktuellen Diskussion. Dies wäre offenbar die kapitalgedeckte Variante des Vorschlags von Herrn Rische. Auch das ist theoretisch vorstellbar, aber ich glaube, praktisch wird das schwierig werden. Der Vorstoß ist ja durch die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg und die Verbraucherschutzkommission Baden-Württemberg der Öffentlichkeit präsentiert worden. Zwar wäre ein solches Altersvorsorgekonto wohl sehr kostengünstig, was von seinen Befürwortern als besonderer Vorteil angeführt wird. Jedoch muss die Deutsche Rentenversicherung ihre Gelder gem. § 80 SGB IV mündelsicher ohne Ausschluss aller Risiken anlegen. Die langfristige Rendite läge damit bei fast 0%. Wem soll das trotz der flat rate wirklich nützen?AC: Was wird aus der Riester-Rente? TD: Da gibt es ja verschiedene Vorschläge. Offenbar wollen alle Parteien die bAV weiter stärken; die SPD äußerte anfangs, sie wolle dafür sogar die Riester-Versorgung opfern, das scheint jetzt aber vom Tisch zu sein. Ich plädiere entschieden für eine Beibehaltung der Riester-Versorgung. Das Prinzip der Zulagenförderung mit Günstigerprüfung zum zusätzlichen Sonderausgabenabzug hat sich sehr bewährt, besonders für die Geringverdiener. Zwar gibt es etliche Anbieter mit schlechten Riester-Verträgen, die weit überwiegende Mehrheit bietet jedoch gute Renditen, wie unsere Ratings und die der Stiftung Finanztest zeigen. Ich bin der Meinung, wir müssen die Menschen mündig halten, das heißt, wir können es dem Bürger zumuten, dass er sich informiert, wo es gute Riesterverträge gibt. Eine weitere Verbesserung der Transparenz in den Verträgen hinsichtlich Kosten und Überschüsse ist dabei sicher zu begrüßen. AC: Manche wollen dennoch viel lieber die bAV fördern als die private Riester-Rente.TD: Ja, es gibt Leute, die das lieber etwas dirigistischer anpacken wollen. Sie sagen: Lieschen Müller schaut niemals in eine Veröffentlichung der Stiftung Finanztest hinein und so landet sie vielleicht bei einem schlechten Anbieter. Und über die bAV können wir das viel besser bündeln. Weil dort Lieschen Müller gar nicht erst in die Versuchung gebracht wird, zwischen 70 verschiedenen Anbietern auszuwählen, sondern es bei der Firma eben nur einen oder wenige Anbieter gibt. Dessen bzw. deren Angebot hat der Arbeitgeber bzw. der Betriebsrat vorher für Lieschen Müller geprüft und – sofern es sich um einen Gruppenvertrag handelt – gewährt es darüber hinaus noch Rabatte, die eine Privatversorgung grundsätzlich nicht bietet. Dieser Weg schließt allerdings die Anbieter- und Produktvielfalt der Riesterversorgung aus und damit – neben der bAV – einen Weg zu mehr Flexibilität und Risikostreuung. Und deshalb bin ich der Meinung, wir sollten die Riester-Versorgung und ihre Förderung weiter beibehalten. Wir können es den Leuten zumuten, dass sie sich informieren. Wir können es auch deshalb zumuten, weil Riester die Möglichkeit bietet, nicht auf ein Pferd zu setzen. Bei der bAV hat man einen einzigen Vertrag, bei Riester kann man streuen – Versicherung, Fonds oder Banksparplan. Man kann auch einen Bausparvertrag oder Wohn-Riester machen. Wir würden uns dieser wunderbaren Möglichkeit vom Wohn-Riester völlig verschließen, wenn es Riester plötzlich nicht mehr gäbe. Darüber hinaus sind Riester und die bAV nicht notwendiger Weise ein „entweder oder“, sondern ein „sowohl als auch“. AC: Wenn die CDU und FDP weiterregieren, dürfte sich an Riester nichts ändern, oder doch?TD: Ich hoffe, dass das Grundkonzept bestehen bleibt. Wir müssen uns noch einmal überlegen, was bei Riester das Gute ist: Es ist das duale System zwischen Zulage – Geringverdiener bekommen eine relativ hohe Zulage – und der Steuerersparnis. Die Besserverdiender profitieren auch von Riester, weil sie ab einem bestimmten Punkt auch noch die Steuerersparnis bekommen. Eigentlich ist das ein geniales System. Aber was wir unbedingt ändern sollten, ist das Thema mit der Grundsicherung. Riester – und das gilt meines Erachtens auch für die bAV – darf nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden, sonst ist es gerade für diejenigen, für die Riester konzipiert ist – nämlich für die Geringverdiener – tot. Teil 1 des Interviews mit Prof. Dr. Thomas Dommermuth lesen Sie hier.
Weiterlesen auf: AssCompact