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08. 05. 2013 - Debatte um Schadensregulierung beschert Angehörigen-Schmerzensgeld neue Nahrung

(ac) Sollte engen Angehörigen von im Straßenverkehr unverschuldet Getöteten ein gesetzlicher Anspruch auf Schadensersatz zustehen? Die Assekuranz wehrt sich gegen eine Ausweitung von Ansprüchen. Stimmen aus Politik, Verbraucherschutz und Rechtsprechung sprechen sich dagegen für eine Reform aus. Das bayerische Justizministerium hat bereits den passenden Gesetzentwurf dafür in der Schublade. Der Bund der Versicherten wird das Thema Angehörigen-Schmerzensgeld mit in seine Antwort an das Bundesjustizministerium einfließen lassen. Im Zusammenhang in der Diskussion um die Praxis der Schadensregulierung in der Versicherungswirtschaft gewinnt zusehends eine noch weitgehend unbeachtete Forderung neuen Auftrieb: Das Angehörigen-Schmerzensgeld. Die Einführung eines Angehörigen-Schmerzensgeldes wäre nach Auffassung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz geeignet, Menschen in bestimmten, schwer belastenden Lebenssituationen Solidarität und Unterstützung zu gewähren, teilte die Pressestelle von Staatsministerin Beate Merk auf Anfrage mit. Diese Einschätzung werde von vielen Stimmen in Wissenschaft und Rechtspolitik geteilt. „Zuversichtlich, ein konsensfähiges Konzept zu präsentieren“„Bei der Umsetzung dieses Vorhabens wird auf eine Ausgestaltung zu achten sein, die die genannten Ziele erreicht und zugleich die Gemeinschaft der Versicherten nicht unvertretbar belastet“, sagte Richterin Ulrike Roider, stellvertretende Pressesprecherin des bayerischen Justizministeriums. „Wir sind zuversichtlich, hierfür ein konsensfähiges Konzept präsentieren zu können“, heißt es forsch aus dem Staatsministerium. BdV: Das wird in der Antwort des BMJ thematisiert„Wir werden auch diesen Punkt kritisch in der Stellungnahme an Frau Leutheusser-Schnarrenberger berücksichtigen“, lässt der Bund der Versicherten e.V. (BdV) mitteilen. Zwar erhielten Angehörige auch heute einen Schadensersatz, wenn sie so genannte Schockschäden erlitten. Dieses Angehörigen-Schmerzensgeld sei „aktuell aber meist nur bei eigenen schweren Erkrankungen durchsetzbar“. Die Anforderungen an den „Nachweis sind dabei meist schwierig und kaum durchsetzbar, weil Haftpflichtversicherer auf der Gegenseite Ansprüche ablehnen oder verzögern“, sagt Thorsten Rudnik, der nach seiner Abberufung als Vorstandsmitglied nunmehr die Pressearbeit beim BdV betreut. Deshalb begrüße sein Verein „ausdrücklich“ die Initiative des bayerischen Justizministeriums. Damit die Angehörigen aber nicht einen jahrelangen Kampf gegen die Versicherer führen müssten, sollten vom Gesetzgeber klare Regelungen geschaffen werden, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe ein Angehörigen-Schmerzensgeld zu zahlen sei, so Rudnik. „Bestehende Haftungsgrenzen hinterfragen“Auch für Angela Diederichsen, Richterin des Bundesgerichtshofes (BGH), „zwingen“ die „Änderungen in der gesellschaftlichen Entwicklung in Form der Zunahme der nichtehelichen Lebensgemeinschaften... trotz des veränderten Rollenverständnisses in Partnerschaften zu einer Hinterfragung der bestehenden Haftungsgrenzen.“ Diederichsen, Beisitzerin des unter anderem für Unfallhaftung zuständigen VI. Zivilsenates, gibt in einem aktuellen Aufsatz für die „Neue Juristische Wochenschrift“ (NJW) „einen Überblick über die geltende Rechtslage, die Grundlage jeder Änderungsdiskussion“ sei. (NJW 2013, Heft 10, Seite 641ff.). „Die Schwäche des deutschen Rechts“, führt Diederichsen in ihrem Beitrag aus, „liegt in der Versagung jeglicher Kompensation für das Leid der Angehörigen durch den Verlust des Getöteten.“ Verkehrsgerichtstag: Aktuelle Rechtsprechung unzureichendDer Arbeitskreis 1 des 50. Deutschen Verkehrsgerichtstages sprach sich vergangenes Jahr ebenfalls für eine Regelung der „Ansprüche naher Angehöriger von Unfallopfern“ aus. In den Fällen fremd verursachter Tötung eines nahen Angehörigen solle ein Entschädigungsanspruch für Ehe- und Lebenspartner sowie Eltern und Kinder geschaffen werden, hieß es in der abschließenden „Empfehlung“. Dieser Anspruch solle durch die Legislative, also den Gesetzgeber, entwickelt werden. Die Höhe der Entschädigung dagegen „sollte den Gerichten nach den Umständen des Einzelfalles überlassen bleiben“, legten hochrangige Experten der Politik nahe. Eine finanzielle Entschädigung für nächste Angehörige könne als „Symbol für Mitgefühl mit dem seelischen Leid Genugtuung schaffen und ein Gefühl von Gerechtigkeit vermitteln“. Die nach der Rechtsprechung gegebenen Ansprüche Angehöriger wegen eines „Schockschadens“ würden „dem derzeit nicht gerecht“, so der Tenor des 50. Deutschen Verkehrsgerichtstages. „Die entgangene Urlaubsfreude wird ersetzt“Tatsächlich hat das bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz schon vergangenes Jahr einen „Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Rechtsstellung der Angehörigen von Unfallopfern“ erarbeitet. „Man kann niemandem erklären“, erneuert Justizministerin Beate Merk ihre Forderung, „dass nach unserem Recht im Gegensatz zu den meisten anderen Rechtsordnungen in Europa der Schädiger, der sein Opfer tötet, zivilrechtlich oft erheblich günstiger steht als im Falle einer schweren Verletzung.“ Auch Teile der Versicherungswirtschaft hätten sich für eine Verbesserung der Stellung naher Angehöriger ausgesprochen, so Merk. „Wir müssen hier dringend Fortschritte machen“. Die Einwände großer Teile der Versicherungswirtschaft, es werde zu Prämienerhöhungen kommen, könne sie „jedenfalls nicht nachvollziehen“. Es gehe nicht an, dass „unser Recht mittlerweile immaterielle Schäden wie entgangene Urlaubsfreude“ ersetze, „für den unendlichen Schmerz naher Angehöriger hingegen nur ein Schulterzucken“ übrig habe, bekräftigt die Ministerin ihre Forderung.Text: Umar Choudhry

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