07. 05. 2013 - „Unnatürlich niedrige Zinsen gehen auf Kosten der Altersvorsorgesparer“
(ac) Am 02.05.2013 hat die EZB den Leitzins auf ein neues Rekordtief von 0,5% gesenkt. Als Grund dafür gilt die andauernde Rezession in der Euro-Zone. Für die Versicherer ist das keine erfreuliche Nachricht. Nachgefragt bei Jörg von Fürstenwerth, Vorsitzender der GDV-HauptgeschäftsführungAssCompact: Herr Dr. von Fürstenwerth, noch am Morgen der EZB-Entscheidung hat der GDV gemeinsam mit den Volks- und Raiffeisenbanken und den Sparkassen appelliert, den bisherigen Leitzins von 0,75% nicht noch weiter zu senken. Was bedeutet die jetzige Absenkung für die Versicherer?Jörg von Fürstenwerth: In erster Linie gehen die unnatürlich niedrigen Zinsen auf Kosten der Altersvorsorgesparer – mit spürbaren Folgen: allein 2012 verzeichneten die Lebensversicherer für ihre Kunden zinsbedingte Mindereinnahmen von 4 Mrd. Euro. Genau deshalb haben wir die Zinssenkung der EZB letzte Woche kritisiert.Für die Lebensversicherer, die traditionell stark in Rentenpapiere anlegen, bedeutet die erneute Zinssenkung einen höheren Druck auf die Kapitalanlage. Das heißt, wir müssen uns künftig noch intensiver Gedanken machen, wie wir für unsere Kunden auch in einem solchen Umfeld private Altersvorsorge lohnenswert machen können. So investieren einige Versicherer heute verstärkt in andere Anlageklassen wie Immobilien oder Unternehmensanleihen. Wir würden auch gerne mehr in Energie- und Infrastrukturprojekte anlegen; dem stehen heute aber noch regulatorische Hürden entgegen. Hier setzen wir uns für verbesserte Rahmenbedingungen ein. Gleichzeitig arbeiten wir an der kostenseitigen Entlastung der Produkte sowie an neuen Garantiemodellen. Bisher konnten wir die Auswirkungen der Niedrigzinspolitik für unsere Kunden wesentlich abmildern und auch 2012 trotz historisch niedriger Zinsen eine überdurchschnittliche Verzinsung von durchschnittlich 3,9% gutschreiben. Klar ist aber: Mittelfristig kommen wir nicht um eine Rückkehr zu einem marktgerechten Zinsniveau herum, damit private Altersvorsorge für die Menschen wieder leichter wird. AC: Wie wird sich die Entscheidung auf die Altersvorsorgebereitschaft auswirken?JvF: Sinkende Zinsen bedeuten ohne Zweifel einen sinkenden Anreiz für das Sparen und Vorsorgen. Dabei ist die Notwendigkeit privater Vorsorge ungebrochen, denn vor allem die jungen und mittleren Generationen können sich aufgrund des demografischen Wandels viel weniger auf die gesetzliche Rente verlassen. Mehr denn je ist es die Aufgabe unserer Branche, den Menschen zu vermitteln, dass private Altersvorsorge auch im aktuellen Umfeld möglich ist. Altersvorsorgesparer müssen sich nur darüber im Klaren sein, dass der Aufbau zusätzlicher Vorsorge in Zeiten niedriger Zinsen länger dauert und mehr Geld erfordert als in der Vergangenheit. AC: Glauben Sie denn, dass die Zinssenkung die gewünschten Wirtschaftsimpulse geben wird?JvF: Die positiven Effekte der anhaltenden Niedrigzinspolitik für europäische Krisenländer halten sich bisher in Grenzen. Heute ist nicht sichergestellt, dass zusätzliche Liquidität in den Krisenländern auch ankommt. Zentral für die Überwindung der Schuldenkrise bleibt ohnehin, dass die wachstumsschwächeren Länder ihre Reformbemühungen zur Konsolidierung der Staatshaushalte und zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit konsequent fortsetzen. Ohne diese Reformen wird Europa nicht aus der Krise kommen. Geldpolitik hat hier ihre Grenzen.
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