15. 07. 2013 - „Die Branche nimmt das Thema Transparenz noch immer nicht genügend ernst“
(ac) Die Assekuranz will transparenter werden – das verlautbarten die Versicherer vor einigen Jahren. Man kann nicht sagen, dass nichts passiert ist. Aber es ist aus Sicht der Politik nicht genug passiert, weshalb sie die Branche weiter reguliert. Beispiel ist etwa das neue Riester-Produktinformationsblatt. Die beiden Unternehmen MORGEN & MORGEN und das Institut für Transparenz in der Altersvorsorge (ITA) wollen neuen Schwung in die Debatte bringen. Nachgefragt bei Joachim Geiberger und Dr. Mark OrtmannNachgefragt bei Joachim Geiberger, Inhaber von MORGEN & MORGEN, und Dr. Mark Ortmann, geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Transparenz in der Altersvorsorge (ITA)AssCompact: Ist die vor einigen Jahren angekündigte Transparenzoffensive der Versicherer ins Stocken geraten?Dr. Mark Ortmann: Es geschieht einiges hinter den Kulissen. Aber bei weitem nicht genug. Einige Versicherer bereiten sich schon auf das neue Riester-Produktinformationsblatt vor, andere überarbeiten ihre Kundenbriefe und wieder andere überarbeiten ein Bedingungswerk. Viele machen einfach weiter wie bisher. Die Branche nimmt das Thema Transparenz noch immer nicht genügend ernst. Wenn nur ein Bruchteil des Geldes, das an den Vertrieb geht, in die Verbesserung der Transparenz gesteckt würde, würde das der ganzen Branche und dem Neugeschäft sehr gut tun.AssCompact: Sollte es die Branche nicht selbst schaffen, für mehr Transparenz zu sorgen, so hieß es, werde die Politik eingreifen. Was ist schon passiert, was bringen die Maßnahmen und was könnte auf die Branche noch zukommen?Joachim Geiberger: Genau so ist es. Die Politik reguliert, prüft, reguliert weiter, prüft erneut und so weiter. Beispiel: Die Politik hat festgestellt, dass die im Jahr 2008 verordneten Produktinformationsblätter nicht zur gewünschten Transparenz geführt haben. Statt Kosten zu zeigen, hat die Branche Kosten verschleiert. Der konsequente nächste Schritt der Politik ist: Im Jahr 2015 kommen neue Produktinformationsblätter für staatliche geförderte Altersvorsorgeprodukte. Jetzt wird strenger reguliert. Einheitliche Vorgaben für alle, Angabe der Effektivkosten, Risikoklassen, Begrenzung auf wenige Kostenarten, um nur einige Beispiele zu nennen. Der nächste Schritt ist schon in Vorbereitung. Wenn die Branche es nicht ernst nimmt mit der Transparenz werden die Kosten gedeckelt. Die Versicherungsbranche hat es selbst in der Hand: Selbst nach vorne gehen oder geschoben werden.AssCompact: Sieht man sich die Praxis an: Kommen die Änderungen auch bei den Kunden an?Dr. Mark Ortmann: Das kommt darauf an. Wenn ein Versicherer verständliche Kundenbriefe einsetzt, kommt dies sofort beim Kunden an. Dasselbe gilt für Bedingungen. Wie gesagt passiert hier aber insgesamt zu wenig. Im Hinblick auf staatlich geförderte Produkte werden die neuen Produktinformationsblätter große Auswirkungen bei den Kunden haben. Kunden können Produkte viel besser vergleichen. Kunden erhalten nur noch Produkte, die ihrem Risikoprofil entsprechen. Und die Kosten werden besser vergleichbar.AssCompact: Das Thema Kosten wurde schon angesprochen. Die Kostentransparenz ist eines der wichtigsten Felder in der Diskussion und betrifft auch die Versicherungsmakler. Wie ist es darum bestellt?Dr. Marc Ortmann: Schlecht. Bis heute stochern Makler im Nebel, wenn sie Altersvorsorgeprodukte vergleichen. Die meisten Versicherer verschleiern ihre Kosten in den Produktinformationsblättern. Der Gesetzgeber hat vorgegeben, die Kosten verständlich, übersichtlich und knapp darzustellen. Das geschieht so gut wie gar nicht. Stattdessen werden Kosten immer häufiger außerhalb des Versicherungsmantels erhoben, um sie im Produktinformationsblatt nicht zeigen zu müssen. Statt mit einfachen Kosten in Euro zu arbeiten, erheben viele variable Kosten auf das Guthaben oder staffeln Kosten. Das versteht aber kein Kunde. Und Makler wählen tausendfach zu teure oder unpassende Produkte aus. Das Haftungsrisiko ist enorm hoch. Das neue Produktinformationsblatt wird einiges verbessern.AssCompact: Mit der Initiative Volatium wollte MORGEN & MORGEN für Transparenz bei Altersvorsorgeprodukten sorgen. Welche Rolle spielt Volatium heute am Markt?Joachim Geiberger: Aus der Initiative, die wir Ende 2009 gestartet haben, ist ein Standard geworden, der die Renditeerwartungen einzelner Tarife transparent macht. Mit Volatium sind alle Tarifarten in der Altersvorsorge ganz einfach vergleichbar, egal welche hochkomplexen Mechanismen dahinterstecken. Knapp 2000 Tarife sind bereits in Volatium-Klassen eingeteilt. Für jeden zertifizierten Tarif werden die Renditewahrscheinlichkeiten für kurze, mittlere und lange Laufzeiten im Detail veröffentlicht. Diese Profile sind für alle Marktteilnehmer kostenfrei unter www.volatium.de abrufbar. Gerade für neuartige Produkte führt kein Weg mehr an dem Transparenzstandard vorbei, wie kürzlich auch die Ergo mit ihrem neuen Tarif Ergo Rente Garantie, der von Beginn an Volatium-zertifiziert war, gezeigt hat.AssCompact: MORGEN & MORGEN hat sich nun mit 50% am ITA beteiligt. Was wollen Sie gemeinsam voranbringen?Dr. Marc Ortmann: Wir wollen gemeinsam der Branche helfen, verständlicher zu werden. Das Thema Transparenz muss ein wesentlicher Fokus in den Köpfen der Vorstände werden. Das ITA steht bereit, Versicherungen zu unterstützen. Wir helfen dabei, Kundenbriefe, Versicherungsbedingungen, Angebote oder Produktinformationsblätter verständlich zu machen. Dazu bieten wir auch Workshops zum verständlichen Schreiben an. Joachim Geiberger: Gemeinsam wollen wir auch den Maklern helfen. Wir arbeiten an einem Programm, mit dem Makler ihre Kunden künftig in Risikoklassen einstufen können. Außerdem wird das Thema Transparenz auch bei Ratings und Zertifizierungen eine größere Rolle spielen. Mehr können wir heute nicht verraten. Ein bisschen Überraschung dürfen wir uns noch bewahren, oder?Foto: Joachim Geiberger (l.), Inhaber von MORGEN & MORGEN, und Dr. Marc Ortmann (r.), geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Transparenz in der Altersvorsorge (ITA).
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