12. 04. 2013 - LV-Doktor strengt Vertragsverletzungsverfahren gegen Bundesrepublik an
(ac) Am 24.01.2013 eröffnete der Europäische Gerichtshof die mündliche Verhandlung zu der von LV-Doktor initiierten Frage der Europarechtskonformität der Jahresfrist in § 5 des Versicherungsvertragsgesetzes a.F. Der Ausgang des Verfahrens ist noch offen; mittlerweile bereitet die proConcept AG, die hinter dem Projekt LV-Doktor steht, jedoch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik vor. In einer Pressemitteilung erklärt proConcept den Hintergrund: Im Jahr 2005 befand die Europäische Kommission, dass das bis 2007 angebotene Policenmodell der deutschen Versicherungsbranche europäischen Richtlinien widerspricht und mahnte die Bundesrepublik deshalb ab. Um dem damals eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren zu entgehen, schaffte der Gesetzgeber im Jahr 2008 das Policenmodell gänzlich ab und setzte im Zuge der VVG-Reform die seit 2007 geltenden EU-Lebensversicherungsrichtlinien in nationales Recht um. Auch LV-Doktor teilt die Auffassung der Europäischen Kommission, will sich mit der bloßen Abschaffung des Modells aber nicht zufrieden geben. Das Projekt der proConcept setzt sich dafür ein, dass (ehemalige) Versicherungskunden alle eingezahlten Beiträge zuzüglich einer angemessenen Verzinsung zurück erhalten, wenn sie ihre Lebens- oder Rentenversicherungsverträge vorzeitig kündigen. Jens Heidenreich, Direktor der proConcept AG, und sein Team sind der Meinung, dass die Abschaffung des Policenmodells zwar weitere Verluste verhindert, kritisieren aber gleichsam, dass die Abschaffung keinerlei Erstattungspflichten für Geschädigte impliziert.LV-Doktor fordert Nachzahlungen für Geschädigte des Policenmodells Nach Auffassung des Projektteams und dessen angegliedertem Anwaltsnetzwerk sind alle deutschen zwischen 1994 und 2008 nach dem Policenmodell abgeschlossenen Lebensversicherungsverträge europarechtswidrig. Und trotz der Reformbemühungen der Bundesrepublik stünde den Kunden die Auszahlung aller bis dato eingezahlten Beiträge nebst branchenüblicher Verzinsung zu. Betroffen sind dabei rund 40 Millionen Versicherungsverträge mit einem Gesamtvolumen von rund 300 Mrd. Euro.Im Anschluss an die Eröffnung der mündlichen Verhandlung zur Frage der Jahresfrist in § 5a VVG a.F. verständigten sich abgesandte Vertreter des LV-Doktor-Teams, die den Verfahrensbeginn in Luxemburg vor Ort verfolgten, mit der Europäischen Kommission, um die Thematik des Policenmodells zu erörtern. Die Europäische Kommission gab nach Angaben von proConcept dabei zu verstehen, dass sie die Meinung von LV-Doktor nach wie vor teile und das Policenmodell als europarechtswidrig erachte. Zwar habe die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes durchaus weitere Schäden verhindert, dennoch stelle der Umstand, dass die deutschen Gerichte jene Fälle, die die Europarechtswidrigkeit des Policenmodells behandeln, nicht dem Europäischen Gerichtshof vorlegen, möglicherweise einen guten Grund für ein neuerliches Vertragsverletzungsverfahren dar.Über die streitgegenständliche Rechtsfrage zur Europarechtskonformität des Policenmodells darf nach geltendem Recht nur der EuGH entscheiden, auch wenn die Klagen nicht direkt dort eingereicht werden können, sondern die gesetzlich vorgeschriebenen rechtlichen Instanzen durchlaufen müssen. Im Anschluss an die Einschätzung durch die Europäische Kommission hat der wissenschaftliche Beirat der proConcept die Umsetzung eines Vertragsverletzungsverfahrens geprüft und ist zum Schluss gekommen, dass durchaus gute Erfolgschancen bestehen. Ergänzend zu verschiedenen Verfahren am Bundesverfassungsgericht und der beim EuGH rechtsanhängigen Frage der Jahresfrist bereiten die LV-Doktor-Anwälte aktuell ein entsprechendes Verfahren vor.Mögliche Folgen für die VersicherungsbrancheHätte proConcept mit dem Vertragsverletzungsverfahren Erfolg, würden alle Verfahren, die das Unternehmen bisher nicht zu einem positiven Abschluss bringen konnte, neue Relevanz erlangen. Als „Beweismaterial“ würden sie gewissermaßen dazu dienen, Millionen anderer Versicherter zu ihrem Recht zu verhelfen. Die Tatsache, dass die LV-Doktor-Datenbank tausende relevante Fälle umfasst, dürfte den Versicherern im Hinblick auf ein Vertragsverletzungsverfahren Unbehagen bereiten, erklärt proConcept. Jens Heidenreich und sein Team sind deshalb gespannt, wann erste Vergleichsangebote eingehen.
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