09. 04. 2013 - Bain & Company nimmt Versicherungsvertrieb unter die Lupe
(ac) Die Versicherer müssen sich auf einen dauerhaft gesättigten Markt einstellen. Das bisherige Neugeschäftsdenken weicht einem ertragsorientierten Blickwinkel. Das trifft insbesondere den auf Umsatzwachstum angelegten Versicherungsvertrieb, der effizienter, kundenorientierter und qualifizierter arbeiten muss, so die Managementberatung Bain & Company. Intelligente Bestandspflege könne die Neugeschäftsschwäche teilweise ausgleichen, ebenso ein effizienterer Vertrieb die sinkenden Provisionen.In Deutschland sind rund eine Viertelmillion Versicherungsvermittler registriert, darunter die an eine Gesellschaft gebundenen Versicherungsvertreter bzw. Vertretungen als so genannte Ausschließlichkeitsorganisationen, sowie Makler und Finanzberater, die an mehrere Anbieter vermitteln. Diese vielfältige Vertriebslandschaft entstand in einem über Jahrzehnte stetig wachsenden Markt. Doch nun stagniere das Geschäft, der Versicherungsmarkt sei weitgehend gesättigt. Für die Versicherer werde es schwer, ihre großen Vertriebsorganisationen mit ausreichenden Provisionserträgen zu versorgen, so Bain & Company. Sie kämpften mit nachlassendem Neugeschäft, sinkenden Prämieneinnahmen und steigenden Kapitalanforderungen. Der harte Verdrängungswettbewerb und das widrige Marktumfeld hätten die Ertragskraft vieler Versicherer reduziert. Um sie wiederherzustellen müssen laut Bain & Company auch die Vertriebskosten sinken, ohne gleichzeitig die Vertriebsorganisationen nachhaltig zu zerstören.Fokus auf langfristiges Bestandsgeschäft Um den Mangel an profitablem Neugeschäft auszugleichen, werden die meisten Versicherer in den nächsten Jahren stärker auf langfristiges Geschäft mit bestehenden Kunden setzen müssen, so Bain & Company. Bei einer solchen Vertriebsstrategie gehe es nicht mehr in erster Linie darum, möglichst viel Neugeschäft zu zeichnen. Stattdessen solle der Vertrieb ertragreiches und qualitatives Geschäft identifizieren, halten und systematisch erweitern. Im Vordergrund einer solchen Vertriebsarbeit stehe die Bindung und Betreuung der Bestandskunden.Damit ein Bestandsbetreuungs-Konzept Erfolg habe, müsse der Vertrieb seine Kunden besser kennenlernen und sie so beraten, dass sie langfristig gebunden werden können, gibt Bain & Company zu bedenken. Das bedeute einen großen Wandel in der Kultur der Vertriebe. Darüber hinaus müsse jeder Vermittler bei weniger Neugeschäft und sinkender Provisionshöhe effizienter arbeiten. Nur so könne er seine Gesamtvergütung auf einem akzeptablen Niveau halten. Versicherer müssten deshalb die Professionalisierung und Standardisierung des Verkaufsprozesses vorantreiben. Themen wie ganzheitlichere Beratung und echte Bestandskundenbetreuung dürften für Agenturen künftig nicht nur Schlagworte bleiben sondern müssten in den Fokus des Handelns gerückt werden, so Bain & Company. Größere Agentureinheiten wie Unternehmeragenturen könnten dabei ein Vehikel sein um diese Ziele schneller und besser zu erreichen, müssten aber – mit Blick auf ihre Kosten – auch deutlich effizienter betreut werden. Eine wichtige Komponente im Erneuerungsprozess der Versicherungsvertriebe bleiben laut Bain & Company die Provisionssysteme. In der Vergangenheit waren sie beinahe ausschließlich auf Neugeschäfts-Umsätze ausgelegt, ohne die Ertragskraft der vermittelten Verträge zu berücksichtigen. Dieses System offenbarte fundamentale Schwächen: Oftmals seien gerade die größten Agenturen strukturell unprofitabel, da Provisionen und sonstige Vertriebskosten die Erträge überstiegen oder überproportional hohe Schadenquoten das Geschäft belasten würden. Auch die Rabattkompetenz des einzelnen Außendienstmitarbeiters im immer härter umkämpften Neugeschäftsmarkt könne über solche Qualitätskriterien entsprechend beurteilt werden.Vom Verkauf zur Beratung Die Weiterentwicklung des Versicherungsvertriebs muss vom Versicherer strategisch initiiert und operativ geführt werden, so Bain & Company. Auch für Kompositversicherungen gelte es strategisch festzulegen, welche Absatzziele in den einzelnen Sparten (beispielsweise KFZ- oder Gebäudeversicherung) in den jeweiligen Vertriebskanälen überhaupt erreicht werden sollen und wie und in welchem Umfang vor diesem Hintergrund ein ganzheitlicher beratender Anspruch an die Vertriebe gestellt werden könne.
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