09. 07. 2013 - Vollkaskoversicherung zahlt nicht bei unerlaubtem Entfernen vom Unfallort
(ac) Nach einem Unfall verklagte der Fahrer seine Vollkaskoversicherung auf Zahlung von rund 6.460 Euro. Das Gericht wies die Klage ab. Der Grund: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort. Denn, verlässt ein Fahrer nach einem Unfall unerlaubt den Unfallort und meldet sich erst später bei der Polizei, kann das Versicherungsunternehmen den konkreten Hergang nicht mehr eindeutig feststellen. Der Fahrer hat damit seinen Anspruch auf Zahlungen aus der Vollkaskoversicherung verloren, urteilte das Oberlandesgericht Naumburg. Im konkreten Fall verursachte der Kläger im Juli 2010 in einem Baustellenbereich einen Unfall. Es entstand nicht nur erheblicher Schaden am Fahrzeug, sondern auch mehrere Bauzaunfelder, zwei Stahlpaletten und ein Betonfülltrichter wurden stark beschädigt. Unmittelbar anschließend verließ der Fahrer die Unfallstelle und stellte das beschädigte Fahrzeug einige hundert Meter weiter – der genaue Abstellort ist umstritten – ab. Mehrere Bauarbeiter, welche den Unfall beobachtet hatten, verständigten die Polizei. Als zwei Polizeibeamte vor Ort eintrafen, konnten sie den Fahrer des Unfallfahrzeuges weder dort noch woanders antreffen.Fahrer ging erst einen Tag nach dem Unfall zur PolizeiDer Kläger hat später behauptet, er sei Führer des Pkws gewesen und habe lediglich aus Unachtsamkeit, ohne unter Alkohol- oder Drogeneinfluss zu stehen, den Unfall verursacht. Anschließend sei er verstört gewesen, habe den Ort deshalb unüberlegt verlassen und das Fahrzeug in der Nähe seiner Wohnung abgestellt, von wo aus er sich zu Fuß in eine unweit gelegene Gartenanlage begeben habe. Als er wenig später von dort aus die Polizei telefonisch über den Unfall informiert habe, sei er zwar aufgefordert worden, umgehend auf der Polizeidienststelle zu erscheinen, habe sich jedoch entschlossen, erst am nächsten Tag dort vorzusprechen.Der Fahrer klagte den entstandenen Fahrzeugschaden ein. Der Versicherer behauptete im Gegenzug, dass der Kläger das Fahrzeug nicht selbst gesteuert habe und auch den von ihm geschilderten Unfallhergang hat die Versicherung angezweifelt. Zudem hat sie die Ansicht vertreten, auf Grund von Obliegenheitsverletzungen des Klägers leistungsfrei geworden zu sein.Im August 2011 wies das Landgericht die Klage ab. Als Begründung hat das Gericht ausgeführt, der Kläger habe auf Grund widersprüchlicher Angaben nicht ausreichend dargelegt, dass es überhaupt zu einem Versicherungsfall in der Vollkaskoversicherung, das heißt zu einem Unfall, gekommen sei.Klage wurde auch im Berufungsverfahren abgewiesenDer Fahrer ging in Berufung. Aber auch hier bekam er nicht Recht, vielmehr stellt das Gericht erneut fest, dass dem Kläger keinen Anspruch auf Zahlung einer Versicherungsleistung aus dem zugrunde liegenden Vollkaskoversicherungsvertrag zusteht. Im Berufungsverfahren ging das Oberlandesgericht, entgegen der Ansicht des Landgerichts, zwar von einem grundsätzlich die Leistungspflicht in der Kasko-Versicherung auslösenden Unfall aus, die Versicherung muss jedoch wegen Verletzung einer Obliegenheit des Klägers nach Eintritt des Versicherungsfalles keine Entschädigung leisten.Objektive Überprüfung nicht mehr möglichDer Unfall sei unstreitig von mehreren Bauarbeitern beobachtet und etwa zehn Minuten später von eintreffenden Polizeibeamten aufgenommen worden. Aber, so das Gericht weiter, bereits das unerlaubte Entfernen des Klägers als angeblichen Fahrers von der Unfallstelle hat in diesem Sinne zu konkreten Feststellungsnachteilen bei der Beklagten (Versicherung) geführt. So waren insbesondere keine Feststellungen mehr möglich zu einer eventuellen Alkoholisierung oder Drogenbeeinträchtigung des Fahrers, die gegebenenfalls zum Wegfall des Versicherungsschutzes oder zu einer Leistungskürzung hätten führen können. Hätte der Kläger stattdessen als angeblicher Fahrer des Pkw die Unfallstelle nicht verlassen und dort gewartet, bis kurz darauf die Polizeibeamten am Unfallort eintrafen, stünde nicht nur die Person des Fahrers eindeutig fest, sondern wäre auch dessen mögliche Alkohol- oder Drogenbeeinflussung objektiv überprüfbar gewesen. Da der Kläger jedoch, aus welchem Grunde immer, erst am Folgetag auf der Polizeidienststelle erschienen ist, waren derartige Feststellungen, etwa mittels einer aussagekräftigen Blutprobe, nicht mehr möglich, sondern ausgeschlossen.Oberlandesgericht Naumburg, Urteil vom 21.06.2012, Az.: 4 U 85/11
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