Atradius: Apothekensterben setzt sich 2024 fort
Die Zahl der Apotheken sinkt seit Jahren: Seit der Jahrtausendwende schlossen rund 3.650 Apotheken für immer ihre Pforten, per Ende September 2023 gab es in Deutschland noch 17.733 Apotheken. Ein neuer Tiefststand. „Der Markt ist schwieriger geworden. Wir gehen davon aus, dass sich das Apothekensterben auch 2024 fortsetzen wird“, sagt Nicole Bludau, Managerin Risk Services beim internationalen Kreditversicherer Atradius. Grund sind die zahlreichen regulatorischen und strukturellen Herausforderungen, mit denen die Pharmazeuten konfrontiert sind.
Mehrere Faktoren belasten die Geschäfte der Apotheken: Einerseits steigt der Wettbewerbsdruck durch Online-Apotheken. „Insbesondere bei freiverkäuflichen Medikamenten bedrängt die digitale Konkurrenz das Geschäft des stationären Handels“, sagt Nicole Bludau. Und wer keinen Zeitdruck habe, der bestelle halt online. Daneben verlören die Apotheken auch dadurch Umsatz, dass die Verbraucher Nebenprodukte wie Kosmetika oder Hygieneprodukte zunehmend in den deutlich günstigeren Drogerie- oder Supermärkten einkaufen würden. „Das geflügelte Wort von ‚Apothekerpreisen‘ macht sich deutlicher denn je bemerkbar. In diesen margenträchtigen Segmenten sind die Apotheken nicht konkurrenzfähig“, so die Atradius-Risikoexpertin. Per Ende September des vergangenen Jahres verzeichnete Atradius 25 Insolvenzen bei Apotheken.
Belastet wird die Apothekerbranche aber auch durch die fehlende Verfügbarkeit von Medikamenten. „Wer sein Medikament nicht in Apotheke A bekommt, der geht halt direkt zu Apotheke B oder C“, sagt Nicole Bludau. Hinzu kämen Probleme bei der Nachfolgeregelung. Für Jung-Apotheker stiegen die Übernahme- und Betriebskosten einer bestehenden Apotheke deutlich an. Eine Herausforderung stellt nicht zuletzt auch der Fachkräftemangel dar. So warnte die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände bereits im vergangenen Jahr davor, dass in den kommenden Jahren aufgrund des altersbedingten Ersatzbedarfs etwa 10.000 Apotheker fehlen würden.
Politischer Gegenwind verschärft die Lage der Branche
Seit langem kämpfen die Apotheken um eine Anpassung der Honorare. Bislang vergeblich. Die Apotheken erhalten für jedes eingelöste Rezept reglementierte Sätze von den Krankenkassen. Im Gegenteil: Anfang des Jahres wurde die Erhöhung des Kassenabschlags von 1,77 auf 2,00 Euro pro verordnetem Medikament wirksam – nach Ansicht der Apotheker eine erhebliche Zusatzbelastung. Die letzte Erhöhung der Apothekerhonorare datiert auf das Jahr 2013 – und dies während die Tariflöhne in Apotheken, die Inflationsrate und die Betriebskosten zwischenzeitlich deutlich gestiegen sind.
Trotz der anhaltenden Schließungen und Insolvenzen scheint die Versorgung derzeit noch ausreichend. Derzeit kommen rein statistisch 23 Apotheken auf 100.000 Menschen. Insbesondere in den Innenstädten ist die Lage noch vergleichsweise komfortabel. „Aber der Komfort, die Apotheke gleich um die Ecke zu haben, geht insbesondere im ländlichen Raum wohl verloren“, schätzt Nicole Bludau. Schon heute klagen zahlreiche Regionen über den Verlust von Apotheken. Allerdings werde sich diese Entwicklung mittelfristig auch in den Innenstädten zeigen, nicht zuletzt durch die Verödung der City-Lagen und der damit einhergehenden Verringerung der Laufkundschaft.
Um konkurrenzfähig zu bleiben, ist es nach Ansicht der Atradius-Gesundheitsexpertin wichtig, dass sich die Apotheken stärker als bisher gegen drohende Risiken wappnen. So empfiehlt Nicole Bludau etwa mehr Engagement für die Stammkundschaft, etwa durch besondere Dienstleistungen, wie einen Auslieferungsservice. Gleichzeitig gelte es aus ihrer Sicht, das Fachpersonal zu halten.